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Woher sollen die neuen Jobs für die Lausitz kommen?

Der Kohle-Kommission mangelt es an Ideen. Andere sind da weiter. Aber nicht viel.

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© Monika Skolimowska/dpa

Von Hannes Koch

Eine sehr große Aufgabe ist das. Die Experten und Wissenschaftlerinnen sollen eine Zukunft für die Bürger in den Braunkohle-Revieren entwerfen. Besonders eine Frage steht im Mittelpunkt: Wo werden die Einwohner arbeiten, wenn die Tagebaue und Kraftwerke in zwei oder drei Jahrzehnten geschlossen haben? Bis Ende dieses Jahres erwartet die Bundesregierung Antworten – nicht mehr viel Zeit. Immerhin liegt der Entwurf eines Berichts der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ vor. Der jedoch zeigt: Das Gremium tut sich schwer mit Ideen.

Vor allem die Lausitz, die alte Industrieregion in Ostbrandenburg und -sachsen, ist stark von der Braunkohle abhängig. Etwa 8 000 Arbeitsplätze bieten dort die Förderung und Verstromung des fossilen Rohstoffs. Hinzu kommen Zulieferer und andere Firmen, die ohne die Energiewirtschaft kaum lebensfähig wären. Unter dem Strich dürfte es um 20 000 Stellen gehen – viel für eine Gegend, die nicht zu den reichen Landschaften Deutschlands gehört.

Nun verspricht die Kommission eine „sozialverträgliche Strukturentwicklung“, plädiert für „neue, hochwertige, zukunftssichere Arbeitsplätze“ und rät, keinen Beschäftigten zu kündigen. Für die Zukunft müsse man an vorhandene Industrien anknüpfen, „technologische Innovationspfade öffnen“, Verkehrsinfrastruktur und Datennetze ausbauen, sowie Wissenschaft und Forschung stärken. Der Bund und die Länder sollten eine „Verpflichtung für die Neuansiedlung von Behörden“ übernehmen. Über diese Allgemeinplätze kommt die Kommission bisher nicht hinaus. Genauere Ideen fehlen, ebenso detaillierte Angaben zu möglichen Ansiedlungsprojekten einzelner Unternehmen, Programmen für einzelne Branchen oder Zahlen von Arbeitsplätzen.

Die Debatte im Umkreis der Kommission ist etwas weiter, wenngleich nicht viel. „Ein möglicher Ansatzpunkt für neue Arbeitsplätze sind zusätzliche Forschungsinstitute im Umkreis der Universität Cottbus-Senftenberg“, sagt Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in Dresden. Marcus Tolle, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus, sieht es ähnlich: „Vorstellbar ist die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, die sich mit der Energiewende befassen und Konzepte für eine -freie Wirtschaft entwickeln.“ Im Potsdamer Wirtschaftsministerium denkt man an ein Fraunhofer-Institut für Speichertechnologie.

Ansiedlung von Forschung schwierig

Solche Institute beschäftigen allerdings nur ein paar Dutzend, vielleicht einige Hundert Wissenschaftler. Mirko Titze vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle ist skeptisch: „Wissenschaftliche Einrichtungen müssen über eine angemessene Grundfinanzierung verfügen. Das gilt insbesondere dann, wenn in der Region zu wenige Firmen sitzen, die Forschung beauftragen und bezahlen können.“ Gerade das Land Brandenburg tue sich nicht hervor, wenn es um die großzügige Ausstattung der Wissenschaft gehe, so Titze.

Eine weitere Idee auf dem Markt: die Batteriefabrik für Elektroautos. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht, ein Firmenkonsortium zusammenzubekommen, das in die Fertigung von Lithium-Ionen-Zellen und künftiger Batterie-Generationen investieren will. Derartige Zellen kaufen die deutschen Fahrzeugproduzenten augenblicklich in Asien. Sie sind aber eine zentrale Technologie der Elektromobilität. Will die europäische Autoindustrie nicht abgehängt werden, braucht sie selbst solche Fabriken. Auch die polnische Regierung hat Interesse an dem Projekt. Wenn es gut läuft, könnten dadurch 1 000 neue, gut bezahlte Jobs in der Lausitz entstehen, später vielleicht auch mehr.

Die Wirtschaftsministerien in Potsdam und Dresden betonen gerne, dass die Lausitz und ihre Umgebung eine ebenso funktionierende, wie zukunftsträchtige Industriestruktur aufzuweisen hätten. So gibt es Firmen, die Maschinen und Anlagen des Braunkohle-Tagebaus warten oder die Kraftwerke beliefern. Diese müssten sich umorientieren. Dass das nicht ausgeschlossen ist, zeigen Ansiedlungen von Firmen wie Skan in Görlitz (Maschinenbau), Borbet in Kodersdorf (Autoräder) und Acosa (Flugzeugzulieferer). Wie viele Jobs entstehen können, weiß heute niemand.

Ein Bereich, in dem die Politik auf jeden Fall etwas tun kann – so sie will –, ist die Infrastruktur. „Vor allem die Landesregierungen, aber auch der Bund, sollten sich darum kümmern, die Erreichbarkeiten, vor allem die Bahn-Anbindungen von den größeren Städten der Lausitz nach Dresden, Leipzig und Berlin, zu verbessern“, sagt Wirtschaftsforscher Titze. Er weiß, wovon er redet, er wohnt selbst in Cottbus. Schnellere, bequemere Züge als heute, mit Steckdosen für Laptops und Internet, könnten dazu beitragen, dass sich Firmen ansiedeln. Aber auch andersherum wird ein Schuh daraus. „Wenn die Pendelzeit erträglich ist, können Leute in der Lausitz wohnen und in den großen Zentren arbeiten“, so Titze.