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Woher man weiß, dass man glücklich ist

Wenke Röseler und Götz Schneiderat von der Evangelischen Hochschule haben für die SZ das Wohlbefinden der Sachsen untersucht.

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© dpa

Es sind zwei Glückspilze, die die große SZ-Studie auswerteten. Zumindest sind sie mit ihrem Beruf höchst zufrieden – und das zählt laut Umfrage-Ergebnis schon einiges. Wenke Röseler von der Evangelischen Hochschule in Dresden wuchs in Dänemark auf, dem Glücksland Nummer 1, und ist Psychologin. Für die sozialwissenschaftliche Sichtweise ist der Dresdner Soziologe Götz Schneiderat zuständig, der schon über die Familienfreundlichkeit in Ost-Sachsen forschte.

Frau Röseler und Herr Schneiderat, Sie haben herausgefunden, dass die Sachsen einen Glückswert von 6,9 haben. Wie kommt diese Zahl zustande?

Götz Schneiderat: Der Glücksbegriff ist ja ein schillernder Begriff und schwierig zu greifen. Entweder man hat es oder man hat es nicht, oder nur eine kurze Zeit lang. Deshalb ist es in der Sozialforschung üblich, nach der grundsätzlichen Lebenszufriedenheit auf einer Skala von eins bis zehn zu fragen. Und genauso ist auch dieser Durchschnittswert zustande gekommen.

Also ist die Frage nach Glück eigentlich eine Frage nach Zufriedenheit. Klingt eigentlich nicht so, als ob das das Gleiche wäre.

Wenke Röseler: Zufriedenheit ist mehr ein Resümee über die gesamten Lebensverhältnisse und wird von den Menschen eher kognitiv, also durch Überlegen und Reflektieren des eigenen Wohlbefindens, beantwortet. Glück hingegen ist eher ein schwer zu fassendes Bauchgefühl und oft eher ein Moment. Damit kann man wissenschaftlich schwer arbeiten.

Bei der SZ-Studie haben wir auch gefragt, was die Menschen generell glücklich macht. Das können wir in Zusammenhang mit der Lebenszufriedenheit setzen und landen somit auch wieder beim Glück. Aus psychologischer Sicht ist ein zufriedener Mensch häufig auch glücklich.

Kann man sagen, dass jeder eine bestimmte Portion Glück in sich trägt?

Schneiderat: Es gibt in der Tat diese Theorie eines persönlichen Glücksmaßes, das auf einem beständigen Level ist. Und dann kommt entweder ein Lottogewinn oder ein Schicksalsschlag, der es kurzfristig positiv oder negativ aus dem Gleichgewicht bringt.

Können Sie denn aus den Ergebnissen eine sächsische Glücksformel ableiten?

Röseler: Tja, diese Sehnsucht nach einem Glücksrezept. Das gibt es so nicht, aber es zeigen sich bei den Ergebnissen einige Muster. Wer mit Job und Lebensstandard subjektiv zufrieden ist, ist auch insgesamt glücklich. Ausschlaggebend ist auch das Gefühl, gebraucht zu werden, sei es im Arbeitsleben oder im Ruhestand. Generell können wir auch sagen, dass aktivere Menschen etwas glücklicher sind.

Die eingangs erwähnte Zufriedenheitsfrage gibt es in vielen Studien, was das Glücksempfinden vergleichbar macht. Wie hat sich das über die Zeit geändert?

Schneiderat: Früher war Glück einfach nur satt werden, kein Krieg, überleben. Heute haben wir das alles. Eigentlich müssten wir ein schlechtes Gewissen haben, dass wir nicht glücklich sind.

Aber wir sind es nicht wirklich.

Röseler: Eines hat mich als Psychologin bei der Studie in der Deutlichkeit überrascht und auch berührt. Nach dem Lebensstandard ist die Einsamkeit das, was am stärksten unsere Unzufriedenheit erklärt.

Wie können wir glücklicher werden?

Schneiderat: Die eigene Bewertung des Lebens ist glücksentscheidend. Nach unseren Daten ist das nicht die Lohnerhöhung an sich, sondern die Zufriedenheit damit. Man könnte auch vereinfacht sagen: Wenn du aufstehst, schau, was du Schönes machen kannst, und wenn du ins Bett gehst, schau, was du Schönes gemacht hast.

Klingt etwas nach Küchenpsychologie.

Schneiderat: Es ist natürlich etwas komplexer. Die Einstellung zu dem, was man hat, muss sich grundlegend ändern. Aber teilweise haben da all die Glücksratgeber schon irgendwie recht.

Recht hat nach den Umfrage-Ergebnissen wohl auch das Klischee, dass Geld glücklich macht, oder?

Schneiderat: In der Umfrage gaben die Unglücklichen viel stärker an, dass Geld für sie eine wichtige Glücksquelle ist. Es ist immer die Frage, mit wem man sich vergleicht.

Bei den Ergebnissen der Umfrage fällt auf, dass diejenigen, die die DDR nicht aktiv miterlebt haben, die Vor- und Nachteile dieser Zeit extremer bewerten als die ältere Generation. Warum?

Röseler: Die Jungen haben die Erfahrungen ja nicht selbst gemacht, sondern von ihren Eltern erzählt bekommen. Es ist vielleicht der Wunsch, sich im Positiven mit seiner Herkunft zu identifizieren. Als Kontrast dazu kommt aus dem Geschichtsunterricht die kritische Sicht auf das Regime. Die kollektive Bewertung der DDR ist, dass es ein Unrechtsystem war.

Schneiderat: Ja, es liegt an dem Spannungsfeld zwischen dem individuellen und dem kollektiven Bezug. Nach dem Motto: Die Eltern waren gut, aber das System war schlecht.

Macht Sie das Forschen über Glück eigentlich auch selbst glücklicher?

Röseler: Ich finde, das ist das schönste Thema der Welt. Wenn ich irgendwo sage, ich bin Glücksforscherin, kann jeder etwas dazu sagen, und man kommt sofort ins Gespräch.

Schneiderat: Mein anderes Thema ist die soziale Benachteiligung. Im Kontrast dazu macht einen die Beschäftigung mit und die Lektüre über Glück auch zufriedener.

Das Gespräch führte Simon Wörpel

›› Alle Analysen und Ergebnisse fassen wir in unserem Glücks-Spezial zusammen“