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„Wir haben uns nicht gekloppt“

Die Chefredakteure von ZDF und ARD-aktuell diskutieren in Dresden mit der AfD. Dass das schwierig werden würde, war klar.

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© Ronald Bonß

Von Heinrich Maria Löbbers

Dresden. Fernsehchefredakteure bekommen viele Programmvorschläge auf den Tisch. Dieser ist neu: Eine Talkshow speziell für AfD-Anhänger, eine, die „konservativ rechts“ ist, moderiert von der rechten Galionsfigur Götz Kubitschek. Ob er bereit wäre, so eine Sendung einzurichten? „Nein“, stellt ZDF-Chefredakteur Peter Frey ohne Zögern klar. Ebenso wenig wie eine Talkshow für irgendeine andere Partei. „Das würde ich mir sehr langweilig vorstellen.“

Die Diskussion, die am Donnerstagabend in der Dresdner Messe stattfindet, soll dagegen zwei Lager zusammenbringen, deren Verhältnis gelinde gesagt erheblich gestört ist. So sehr, dass es am Ende alle schon als Erfolg ansehen, überhaupt miteinander gesprochen zu haben. „Es war ein Anfang, wir haben uns nicht gekloppt“, stellt ZDF-Mann Frey zufrieden fest.

Dass es dem AfD-Kreisverband gelungen war, nicht nur den ZDF-Chef, sondern auch dessen ARD-Kollegen Kai Gniffke für eine Debatte über „Medien und Meinung“ zu gewinnen, war schon eine Überraschung. Dass es die beiden Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dabei schwer haben würden, war absehbar. Aber sie stellen sich dem Disput, immerhin sind auch das hier Beitragszahler. Das Publikum klatscht freundlich zur Begrüßung, die unterschwellige Gereiztheit ist jedoch spürbar.

Ein ums andere Mal bittet der Moderator: „Mäßigen Sie sich!“ Mit Erfolg. Vor etwa 300 Zuhörern haben sich die Chefredakteure auseinanderzusetzen mit Nikolaus Fest und Michael Klonovsky, zwei ehemaligen Journalisten, die jetzt für die AfD aktiv sind – letzterer als enger Mitarbeiter von Alexander Gauland. Und mit zwei Moderatoren, die ihre Rolle weniger darin sehen, zu vermitteln, sondern ebenfalls Ankläger zu sein.

Aller Kritik an den Medien, wie sie an diesem Abend geäußert wird, liegt im Grunde ein Vorwurf zugrunde: Es gebe einen großen Teil der Bevölkerung, der nicht angemessen repräsentiert wird. Zum Beispiel, weil angeblich fast alle Journalisten eher links-grün gestrickt seien oder weil rechte Meinungen etwa in Talkshows nicht genügend berücksichtigt würden. Sogar beim „Tatort“ stimme was nicht. Da gebe es keinen Kommissar, der in einer bürgerlichen Vater-Mutter-Kind-Familie lebe.

Vor allem geht es natürlich um aktuelle Berichterstattung etwa über die Vorfälle in Chemnitz, die Silvesternacht in Köln, die von Migranten begangenen Morde in Freiburg oder Offenburg. Es werde entweder gar nicht berichtet, falsch oder zumindest tendenziös, müssen sich die Chefredakteure anhören. Beide versuchen wacker, sachlich gegenzuhalten. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Verdächtigungen zu verbreiten. Wir berichten, wenn wir wissen, was passiert ist“, so Peter Frey. Und ARD-Kollege Gniffke erklärt, nicht jeder Einzelfall, so schrecklich er auch sei, könne ein Thema für die „Tagesschau“ sein. Es gehe doch gar nicht um Einzelfälle, wird ihm entgegengehalten. Sondern um ein offenbar typisches Muster von Migrantenkriminalität.

Ausführlich versuchen die Fernsehleute, die Standards journalistischer Arbeit zu erläutern. Man habe Fakten zu liefern. Die Entscheidung, ob sie gut oder schlecht sind, liege beim Publikum. Klonovsky, der zugibt, vor der Debatte einen Eimer Kreide gefressen zu haben, behauptet hingegen, die meisten Journalisten meinten, das Publikum belehren zu müssen. Was die Chefredakteure natürlich nicht so stehen lassen. „Bericht und Kommentar werden getrennt. Wer das bei uns nicht beherrscht, fliegt raus“, erklärt Kai Gniffke. Und erntet nicht nur an dieser Stelle spöttisches Gelächter. Selbst als es darum geht, dass Journalisten bei Demonstrationen bedrängt und angegriffen werden, gibt es höhnisches „Ooch“ aus dem Publikum. Frey gelingt es aber, sich nicht provozieren zu lassen: „Wenn Sie dazu beitragen, dass so was künftig nicht mehr passiert, wäre es schon ein Erfolg“.

Auch Fehler einzugestehen und zu berichtigen, gehört zu den journalistischen Pflichten. „Wenn wir einen Bock geschossen haben, stehen wir dazu“, so Gniffke. Frey gesteht ein: „Es gibt Defizite.“ In der Vergangenheit habe man die Lage im Osten wohl manchmal falsch eingeschätzt, sich blenden lassen und manches zu unkritisch betrachtet. „Es darf keine Region geben, wo das ZDF nicht hingeht. Wir müssen da sein, wo die Leute Probleme haben.“

So sehr die beiden versuchen, zu erklären, immer mehr geraten sie in die Defensive. Aber, halten sie entgegen, im Gegensatz zur AfD hätten sich etwa „Tagesthemen“-Frau Carmen Miosga oder Oliver Welke von der „Heute-Show“ öffentlich für Fehler entschuldigt. „Wir müssen auch über den Ton reden, den Teile Ihrer Partei gegenüber Medienvertretern anschlagen“, sagt Frey und bezieht sich auf eine Äußerung aus der AfD, in einer Revolution würden Funkhäuser und Verlage „gestürmt“ und „Staatsberichterstatter auf die Straße“ gezerrt.

Was den Tonfall angeht, habe er recht, gesteht immerhin AfD-Politiker Fest zu. „Es wäre schön, wenn Herr Klonovsky das auch mal in eine Rede von Alexander Gauland schreiben würde“, kontert Frey. Und er fordert: „Wenn Sie in die bürgerliche Mitte wollen, müssen Sie Ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus klären.“

Das Publikum überzeugen oder gar umstimmen zu können, damit haben die Chefredakteure erst gar nicht gerechnet. „Wir spüren, wie der Saal denkt und das ist für uns bedrückend“, sagt Frey. Zwischenzeitlich klingt es fast wie Kapitulation, als er gesteht: „Sie haben ja die Freiheit abzuschalten.“ Und Gniffke später zugibt: „Ich zahle diese 17,50 Euro Rundfunkbeitrag vielleicht auch nicht gerne.“

Gleichwohl gibt es auch höflichen Schlussapplaus, und mancher wird es ihnen zugutehalten, sich überhaupt dem Gespräch gestellt zu haben. Die AfD hingegen verbucht den Abend als vollen Erfolg und nimmt für sich in Anspruch, in Dresden Diskussionen führen zu können, die anderswo nicht möglich sind. Befriedigt stellt der AfD-Politiker Maximilian Krah fest, künftig überall argumentieren zu können: „Wenn sogar die Chefredakteure von ARD und ZDF zu uns kommen, warum wollt ihr dann nicht mit uns diskutieren?“