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Wie sicher muss das Klettern sein?

An den Johanniswachtfelsen im Bielatal kommen 60 zusätzliche Ringhaken in den Fels. Das sorgt für heftige Diskussionen.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Bielatal. Uta Feyler steht am Einstieg zum Südweg am Artariastein. Der Fels ist Teil der Gipfelgruppe Johanniswacht im Bielatal, wo der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) 60 zusätzliche Sicherungsringe in den Sandstein bohren will. „Ich möchte hier einige Wege klettern, solange sie noch im ursprünglichen Zustand sind“, sagt die 33-Jährige. Sie befestigt das Seil am Klettergurt, kontrolliert ihre Ausrüstung, erwägt die Aufstiegsroute. Im Kletterführer ist die Route im IV. Schwierigkeitsgrad mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnet. Das Symbol bedeutet, dass die Kletterei ungenügend gesichert ist. Darum will der SBB im Südweg zwei Ringhaken installieren und so das Klettern sicherer machen.

Aber das Projekt Johanniswacht scheint den Bergsteigerbund zu entzweien. Viele Arbeitsgruppen, die die ehrenamtliche Vereinsarbeit übernehmen, sind strikt gegen das Projekt. „Der Vorstandsbeschluss missachtet die Sächsischen Kletterregeln in dem Punkt, der das Anbringen nachträglicher Ringe regelt“, meint Rocco Ganzert. Er ist Leiter der Klettertechnischen Abteilung (KTA) im Bergsteigerbund. Diese Arbeitsgruppe ist normalerweise mit der Wartung der Sicherungseinrichtungen im Elbsandsteingebirge betraut. Doch die Installation der Ringe an den Johanniswachtfelsen lehnt die Arbeitsgruppe ab. Aufgrund der fraglichen allgemeinen Akzeptanz des Vorhabens innerhalb des SBB vermuten sie sogar, dass das Ringesetzen mit Gegenmaßnahmen beantwortet wird. „Es ist damit zu rechnen, dass die Gegner des Projekts die Ringe wieder entfernen“, sagt Ganzert. Damit einhergehende Felszerstörungen seien programmiert.

Matthias Werner (47) ist der Leiter der Projektgruppe Johanniswacht. Er erwidert: „Dass die Gegner des Projektes Ringziehaktionen heraufbeschwören, ist keine schöne Art.“ Die Traditionalisten versuchten damit, das Projekt zu diskreditieren. Werner ist Dresdner Bergsportladen-Inhaber. Mit großem Engagement setzt er sich für eine bessere Absicherung der Kletterrouten in der Sächsischen Schweiz ein.

Am Artariastein steigt Uta Feyler den Südweg hoch. Gewandt nutzt sie die Felsstrukturen, kleine Griffe für die Hände und Zacken für die Füße. Dort, wo die Wand steiler und schwieriger wird, ist eine kleine Felsrippe. „Hier ist eine offensichtlich gute Sicherungsmöglichkeit“, ruft die junge Frau. In eine kleine Felsspalte drückt sie den Knoten einer dünnen Seilschlinge. „Die hält“, sagt Uta Feyler und klinkt das Seil in den Kletterkarabiner – ihre Lebensversicherung. Sie sucht den Fels nach weiteren Sicherungsmöglichkeiten ab. Dabei entdeckt sie unmittelbar neben der Schlinge ein eingeritztes Kreuz – scheinbar ist die Markierung am Sandstein der geplante Ringstandort. „Wahrscheinlich haben die Projektbearbeiter nur das Ausrufezeichen im Kletterführer beachtet, sind aber den Weg nie geklettert“, vermutet sie. Matthias Werner widerspricht: „Das Kreuz ist nicht von uns, der geplante Ringstandort soll ein Stück oberhalb der Rippe sein.“ Er versuche immer, sich in den jeweiligen Kletterer hineinzuversetzen und die Möglichkeiten zum Schlingenlegen entsprechend dem Schwierigkeitsgrad zu beurteilen.

Auf dem Gipfel angekommen, ist Uta Feyler glücklich, den Kletterweg bewältigt zu haben. „Wenn nur noch Ringe eingeklinkt werden, geht der Blick für die Schlingenstellen verloren“, befürchtet sie. Und die Kunst des Schlingenlegens sei das Besondere beim Klettern im Elbsandstein, urteilt die Pirnaer Kletterin.

Die Projektgruppe unter Leitung von Matthias Werner will die 60 neuen, zusätzlichen Ringe an der Johanniswacht im Laufe des Sommers nach und nach in den Fels bohren. Matthias Werner beteuert: „Wenn wir die Ringe installieren, werden wir die Wege definitiv noch einmal klettern und nochmals überprüfen.“