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Wie kriminell ist Riesa?

Keine andere Stadt im Kreis verzeichnet so viele Straftaten wie die Sportstadt. Der Polizeichef gibt trotzdem Entwarnung.

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© Lutz Weidler

Von Christoph Scharf

Riesa. Ist das nun eine schlechte Nachricht – oder eine gute? In der Stadt Riesa wurden vergangenes Jahr fast 2 600 Straftaten erfasst – mehr als in jeder anderen Kommune im Landkreis (SZ berichtete). An die Spitze der Kriminalitätsstatistik hatte es dennoch Meißen geschafft – aber nur, weil in dieser Statistik die Zahl der Straftaten pro Einwohner gewichtet wurde. Und noch zählt Meißen etwas weniger Menschen als Riesa. Während das ein statistischer Effekt ist, stellt sich die Sache unzweifelhaft positiv dar, wenn man einen Blick zurückwirft: Seit Jahren gehen die Fallzahlen im Revierbereich Riesa tendenziell nach unten (siehe Grafik).

Hermann Braunger leitet das Polizeirevier Riesa.
Hermann Braunger leitet das Polizeirevier Riesa. © Sebastian Schultz

Laut Revierleiter Hermann Braunger liegt das vor allem am Rückgang der Einwohnerzahl. Und vielleicht auch am steigenden Altersschnitt? „Nein! Glauben Sie bloß nicht, dass Senioren weniger kriminell sind als junge Leute“, sagt der Erste Polizeihauptkommissar. Im Alter würden lediglich andere Delikte den Schwerpunkt bilden: Zwar spielten bei Senioren Gewalttaten seltener eine Rolle, dafür machen sie häufig mit Beleidigungen von sich reden. Und mit Ladendiebstählen sowieso.

Tatsächlich aber sei die gefühlte Unsicherheit viel größer als die wirkliche Zahl der Straftaten, sagt Riesas oberster Polizist. „Über das Internet verbreitet sich jede Meldung rasend schnell. Jeder gibt noch seinen Senf dazu: Das erzeugt ein Unsicherheitsgefühl, das nicht der Realität entspricht.“ So halte mittlerweile jeder den Riesaer Puschkinplatz für unsicher. Dort hatte es 2016 eine aufsehenerregende Schlägerei unter Zuwanderern gegeben, der offenbar ein verbaler Streit am BSZ vorangegangen war. „Die Männer haben sich am Puschkinplatz verabredet, um ihren Streit dort auszutragen“, sagt Braunger. Der Konflikt habe mittlerweile mit Sozialarbeitern befriedet werden können. „Auf der Rasenfläche des Puschkinplatzes haben wir seitdem überhaupt kein Problem mehr“, sagt Braunger. Man habe den Park genau im Blick: Er sei wohl die am besten bestreifte Fläche des ganzen Revierbereichs.

Und warum tauchen in der Statistik, die als Grundlage für das städtische Alkoholverbot aufgestellt wurde, trotzdem 381 Straftaten im Raum Puschkinplatz/Mannheimer Platz/Hauptstraße auf? „Weil dort alle Geschäfte und Wohnungen mit hineinzählen, die an den jeweiligen Plätzen und Straßen ihre Anschrift haben“, sagt der Revierleiter. So seien allein mehr als 200 der 381 Straftaten Diebstähle – die sich vor allem in den angrenzenden Geschäften zutragen.

Ohnehin würden die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten der Stadt mit dafür sorgen, dass Riesa im Vergleich zu den Nachbargemeinden einen Spitzenplatz in der Straftatenstatistik einnimmt (siehe Diagramm). „So passieren dort mehr Ladendiebstähle, wo es auch Supermärkte gibt“, sagt Braunger. Davon wurden 350 Fälle im Revierbereich angezeigt. Auch bei den Fahrraddiebstählen – mehr als 200 Fälle im Revierbereich – liegt Riesa vorn. Auch Betrugsfälle, etwa das Zahlen im Supermarkt mit nicht gedeckter EC-Karte, kommen eher in der Stadt als auf dem Land vor. Und ertappen in der Region Schaffner im Zug Schwarzfahrer, ordnet die Bundespolizei den Bahnhof Riesa als Tatort zu. Allein das sogenannte Delikt „Leistungserschleichung“ macht 135 Fälle in der Statistik aus.

Und sogar der Hausfriedensbruch hat etwas mit der Einkaufslandschaft zu tun: Der Klassiker bei diesem Delikt sind ertappte Ladendiebe, die trotz eines bestehenden Hausverbots wiederkommen. Knapp 200 Beleidigungen, mehr als 500 Sachbeschädigungen und 120 Drogenverstöße runden die Revierstatistik ab – wobei solche Fälle sowohl in der Stadt als auch auf dem Land vorkommen können.

Wie ist überhaupt die Lage auf dem Land? In Glaubitz sorgt die auf dem Gemeindeterritorium liegende JVA Zeithain für Ausreißer in der Statistik, sagt Hermann Braunger. „Eine typische Straftat ist etwa der sogenannte Siegelbruch durch Gefangene.“ Die reißen immer wieder Siegel herunter: Die kleben über dem USB-Anschluss am Gefängnis-Fernseher und sollen verhindern, dass sich die Gefangenen Bilder oder Videos von irgendwelchen USB-Speichersticks anschauen.

In Zeithain sorgt die mittlerweile aufgelöste Asyl-Unterkunft in der Lagerhalle an der Borntelle für Auffälligkeiten. Dorthin war die Polizei vergangenes Jahr regelmäßig ausgerückt. Das merkt man auch in der Statistik: Bei den gefährlichen Körperverletzungen in Zeithain beträgt der Ausländeranteil 52 Prozent. „Das waren in aller Regel Auseinandersetzungen unter Asylbewerbern“, sagt Hermann Braunger.

Positiv ist festzustellen, dass in fast allen Delikt-Gruppen die Zahl der Straftaten zurückging. Die große Ausnahme ist ein Anstieg bei den Rohheitsdelikten, zu denen Körperverletzung, Raub, Nötigung, Bedrohung zählen. Diese Fälle sind von 500 auf 600 Fälle angestiegen. „Damit liegt Riesa in einem bundesweiten Trend.“ Entweder werden solche Fälle häufiger angezeigt als früher – oder die Rohheit in der Gesellschaft steigt tatsächlich.

Beim Raub etwa hat sich die Zahl auf 47 Fälle fast verdoppelt. In der Regel finden Raubüberfälle allerdings im Milieu statt: Täter und Opfer kennen sich. Die Aufklärungsquote liegt deshalb mit 65 Prozent ziemlich hoch. Eine große, sehr in der Öffentlichkeit präsente Ausnahme war der Raubüberfall eines jungen Asylbewerbers auf eine Seniorin auf dem Elberadweg in Riesa. „Daran erinnert sich zwar jeder“, sagt Hermann Braunger. „Aber das ist absolut nicht typisch für Riesa!“