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Wie ein Afghane zum neuen Job kommt

Unternehmen brauchen Arbeitskräfte. Diese werden jetzt gezielt angelernt. Eine Chance für beide Seiten.

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© René Meinig

Von Bettina Klemm

Sprachunterricht fällt Amanullahjon Jar leicht. Der 48-jährige Afghane lebt schon seit 1992 in Deutschland und hat schon als Dolmetscher gearbeitet. „Aber man lernt immer dazu, besonders bei der Fachsprache“, sagt er. Und deren Feinheiten haben es in sich, denn er bildet sich als CNC-Maschinenbediener weiter. Zuvor hatte sich Amanullahjon Jar jahrelang als Textil- und Dönerverkäufer durchgeschlagen.

Jetzt nimmt er mit zwölf Asylbewerbern mit anerkannten Aufenthaltsstatus und zwei Deutschen an einer Ausbildung beim Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk (SUFW) teil. „Seit Juli bereiten sich die Teilnehmer bei beruflicher Grundausbildung, Praktikum und Sprachförderung für die Arbeit in einem Unternehmen vor“, erläutert Andreas Kutschke. Er leitet das SUFW-Bildungszentrum. Die Firma UKM Fahrzeugteile sucht dringend Arbeitskräfte. Gemeinsam mit ihr und der Zeitarbeitsfirma Avenira haben SUFW und Jobcenter diese Maßnahme konzipiert.

Jar, der in Afghanistan geboren wurde, aber vor dem Krieg in Pakistan geflohen ist, findet an der praktischen Arbeit Freude und hat Respekt vor den teuren CNC-Maschinen. Er hat gute Chancen, nach Beendigung der Weiterbildung zum Jahresende einen festen Job zu finden. „Ich bin sehr dankbar über die Möglichkeit. Es ist ein Super-Job, einen besseren kann ich kaum finden.“ Er bedauert, dass er nicht schon vor Jahren so ein Angebot hatte und ermutigt seine Landsleute, zum Jobcenter zu gehen und sich um eine Ausbildung zu bewerben.

Vor dem Hintergrund von 4 200 unbesetzten Stellen in der Stadt Dresden bezeichnet Pro-Dresden-Vorstand Ralf Kretzschmar bei einem Besuch des SUFW in dieser Woche diese Weiterbildung als Win-Win-Situation. Unternehmen finden so Arbeitskräfte und Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge einen Job. Es sei wichtig, solche erfahrenen Träger wie das SUFW als Partner für die Wirtschaft zu etablieren.

Gerade abgeschlossen hat das SUFW eine ähnliche Weiterbildung für das Unternehmen Fahrrad XXL Emporon GmbH. „Hier hatte uns Geschäftsführer Dr. Ameli signalisiert, dass er bereit ist, Asylsuchende einzustellen“, sagt Kutschke. Es fehlten Bewerber, um die offenen Stellen beziehungsweise auch Ausbildungsstellen als Zweiradmechaniker zu besetzen. Von der Agentur für Arbeit und vom Jobcenter wurde möglichen Teilnehmern das Angebot vorgeschlagen. Zwölf entschieden sich freiwillig dafür, das Montieren, Demontieren und Instandsetzen von Bauteilen für Fahrräder aller Art zu erlernen. Insgesamt 264 Stunden machte das aus, parallel hatten die Teilnehmer berufsbezogene Sprachförderung und Praktika. „Nach derzeitigem Stand wurden vier Teilnehmer dauerhaft für das Unternehmen gewonnen, die Einstellung weiterer ist möglich“, schätzt Kutschke ein. Das sei eine gute Bilanz. Zu den Übernahmekriterien zählten neben der fachlichen Eignung besonders Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen und eine, in den betrieblichen Ablauf passende Arbeitsproduktivität.

Das SUFW bietet derzeit 13 dieser zertifizierten berufsbezogenen Weiterbildungen an, beispielsweise als Maler/Lackierer und Zweiradmechaniker, oder um in der Metallbearbeitung, Hauswirtschaft/Küche, im Gartenbau oder Holzwirtschaft zu arbeiten. Auch in Zeiten mit sehr niedriger Arbeitslosigkeit würden derartige Angebote gebraucht, sagt SUFW-Vorstand Martin Seidel.

Das Unternehmen hat selbst viele Hochs und Tiefs erlebt. Vor 18 Jahren baute es die Bildungsstätte groß aus. Danach sind die Teilnehmerzahlen um 80 Prozent eingebrochen. So geriet das SUFW vor sechs Jahren selbst in Existenznöte. Aber jetzt gehe es mit der überbetrieblichen Ausbildung wieder aufwärts. „Inzwischen beschäftigen wir 260 direkte Mitarbeiter, hundert mehr als vor drei Jahren“, sagt Seidel. Es sei eine große Herausforderung, die Lohnkosten für Ausbilder und Sozialarbeiter zu erwirtschaften und ihnen eine Perspektive zu geben. Beim Öffentlichen Dienst sei das anders gewesen, findet der ehemalige Dresdner Sozialbürgermeister. Heute könne er einschätzen, welch großes Problem es ist, wenn Freie Träger in Vorleistung gehen müssen. Sie sollten unbedingt Abschläge für vereinbarte Projekte erhalten, auch wenn es Verzögerungen beim Stadthaushalt gibt, fordert er.

Sein Unternehmen ist sehr breit aufgestellt, das helfe. Erst kürzlich wurden ein neues Möbel- und Sozialkaufhaus in der Industriestraße eröffnet. Neben dem Firmensitz Am Lehmberg mit den Weiterbildungseinrichtungen ist die Lingnerallee ein weiterer größerer Standort besonders mit sozialen Projekten.