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Weshalb ich im Bauwagen wohne

Benjamin Hermsdorf hat sich mit seiner Frau in Wachau eine ungewöhnliche Bleibe gezimmert. Jetzt müssen sie umziehen.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Wachau. Wer einmal drin ist, glaubt in einer Einraumwohnung zu stehen: Es gibt eine Kochecke, ein Doppelbett, Bücherregale und eine gemütliche Sitzecke. Es ist hell und trotz des kalten Märzwindes mollig warm. Benjamin Hermsdorf hat es sich in einem der Sessel bequem gemacht und trinkt heißen Tee. Der Blick nach draußen allerdings verrät, dass das keine gewöhnliche Wohnung ist. Zu sehen sind eine Streuobstwiese, eine Feuerstelle und ein Gehege mit jungen Ziegen. Die Wohnung des jungen Mannes steht auf der grünen Wiese, auf vier Rädern und ist ein Wohnwagen. Benjamin Hermsdorf hat ihn gegen seine Wohnung in Dresden eingetauscht.

Große Fenster, der Eingang überdacht: Der Wohnwagen ist für Benjamin Hermsdorf das perfekte Eigenheim.
Große Fenster, der Eingang überdacht: Der Wohnwagen ist für Benjamin Hermsdorf das perfekte Eigenheim. © Thorsten Eckert
Vor Beginn der Arbeiten fertigte er eine aufwendige Computer-Zeichnung an.
Vor Beginn der Arbeiten fertigte er eine aufwendige Computer-Zeichnung an. © privat
Die Bewohner haben das Innere des Wagens bis ins kleinste Detail nach ihren Vorstellungen gestaltet.
Die Bewohner haben das Innere des Wagens bis ins kleinste Detail nach ihren Vorstellungen gestaltet. © Thorsten Eckert

Traum vom Leben auf dem Lande

Angefangen hat alles vor etwa einem Jahr. Damals klopfte plötzlich sein Vermieter an die Tür mit der Nachricht: „Das Haus wird saniert. Du musst ausziehen. Er bot mir 5 000 Euro Umzugshilfe an“, erinnert sich der 31-Jährige. „Ich habe dann überlegt, ob ich mir den Stress antue und gegen den Rausschmiss vorgehe oder das Geld nehme und mir etwas Neues suche.“ Er entschied sich für Letzteres und zog zu seiner Frau. Das war aber keine Dauerlösung. Benjamin Hermsdorf stand vor der Frage: Wieder diverse Internetseiten oder Kleinanzeigen nach Wohnungsangeboten durchforsten? Wieder hohe Miete zahlen? Oder etwas ganz anderes probieren? Eigentum wäre ideal. Dort den Traum von einer Bleibe umsetzen. Doch ein Grundstück ist für ihn unerschwinglich. – Erschwerend kam in der Zeit noch hinzu, dass auch seine Frau aus dem gleichen Grund aus ihrer Wohnung heraus musste. „Da sind wir gemeinsam auf die Suche gegangen. Wir haben uns umgehört und mit Freunden gesprochen. Recht schnell kamen wir auf die Idee, in einen Wohnwagen zu ziehen. Damit würde sich auch unser Traum vom Leben auf dem Lande, idealerweise mit Gleichgesinnten erfüllen.“ Ein Freund stellte den Kontakt zu einer Familie mit viel Land in Wachau her. „Hier könnt ihr euren Wagen bauen“, so das Angebot des Grundstückseigentümers.

400 Euro für einen alten Wagen

Doch woher den Wohnwagen nehmen? In Kleinanzeigen fanden die beiden dann einen Wagen, besser die Reste davon. „Das war ein ehemaliger Landwirtschaftsanhänger, der im Fortschritt-Werk in Neustadt gebaut wurde. Mehr als das Untergestell und die Räder waren aber nicht mehr übrig.“ Dafür war er mit 400 Euro recht günstig. Mit einem Abschleppunternehmen holten sie das Gefährt zunächst nach Dresden, entrosteten das Gestell und lackierten es neu. „Kurze Zeit später haben wir den Anhänger nach Wachau auf das Grundstück schleppen lassen.“ Damit begann die eigentliche Arbeit. Noch war es ja nur ein Gestell mit vier Rädern. Ein Aufbau, in dem man wohnen konnte, musste her. „Zunächst haben wir uns den Wagen erträumt und einfache Zeichnungen entworfen. In einer dreidimensionalen Ansicht wurden sie per Grafikprogramm auf dem Computer immer weiter verfeinert, bis eine komplette Bauskizze mit Maßen vorhanden war.“ Anschließend hieß es: Auf zum Baumarkt! Von Juli bis November dauerten die Arbeiten. Bodenplatte schrauben, Balken aufstellen, Holzplatten zurechtsägen. Als dann das Dach drauf war, fiel Benjamin Hermsdorf ein Stein vom Herzen. „Bis dahin hatten wir den Wagen notdürftig mit einer Plane vor dem Regen geschützt. Jetzt konnte ein Schauer dem Ganzen nichts mehr anhaben.“ Dann war der Wagen fertig. Ordentlich gedämmt und mit Doppelglas-Fenstern ausgestattet. Strom und Wasser gibt es vom Nachbarn. „Wir genießen jetzt den Freiraum hier draußen. Wir können frei über unsere Zeit verfügen. Ich kann hier meine Bilder malen. Oft kommen uns Freunde besuchen und wir sitzen abends gemeinsam am Feuer. Ein Hoffest haben wir hier schon gefeiert.“

Konzentration auf des Nötigste

Eine eng getaktete 40-Stunden-Woche ist für sie nicht erstrebenswert. „Meine Frau gibt als freiberufliche Musiklehrerin Unterricht. Ich verdiene mit Baumpflegearbeiten Geld. Das reicht für die vergleichsweise geringen Ausgaben, die wir hier haben.“ Überhaupt sei es befreiend gewesen, viele Dinge, die sonst in einer Wohnung meist einfach nur herumliegen, wegzugeben. „Wir haben uns auf das Nötigste konzentriert. Für mehr reicht der Platz im Wohnwagen nicht aus.“ Auf ein Auto allerdings können sie nicht verzichten. Sie muss nach Dresden, er zu den unterschiedlichen Arbeitsorten in der Umgebung.

Inzwischen haben sich dunkle Wolken über dem Hof in Wachau zusammengezogen. Benjamin Hermsdorf und seine Frau werden wegziehen. Die genauen Gründe will er nicht nennen. Er sagt nur: „Wir zwei Familien hatten eine Idee davon, wie ein Miteinander auf dem Hof aussehen kann. Wir haben gemerkt, dass wir uns das Zusammenleben alle anders vorgestellt hatten. Experimente können eben auch schief gehen. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass wir hierher durften.“

Suche nach dem neuen Platz

Doch wohin jetzt? Aus der Not heraus haben sich die beiden nach einem neuen Platz für den Wagen umgesehen. Der Tipp kam wieder von Bekannten. „Inzwischen wissen wir, wo es hingeht. Bei Frankenthal in der Nähe von Bischofswerda bauen Freunde eine Mühle aus.“ Ein Wochenende haben die beiden dort schon verbracht. Zum Kennenlernen, wie sie sagen. „Wir freuen uns auf die Menschen dort, auf gemeinsames Musizieren im Proberaum und auf ein neues Atelier im Dachboden der Mühle. Pferde gibt es dort ebenfalls.“ Und Pläne schmieden sie auch. Von einer neuen Terrasse vor dem Wagen sind schon neue Skizzen entstanden. Anfang April werden sie nach Frankenthal umziehen.

Eins steht fest, aus ihrem Wohnwagen wollen die beiden jedenfalls so schnell nicht wieder heraus.