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Wenn Lokführer fehlen

Immer wieder fallen im Landkreis Bautzen Züge wegen Personalmangel aus. Die Gewerkschaften wundert das nicht.

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© dpa/Jan Woitas

Von Jens Fritzsche

Die Bahn kommt, war mal einer dieser markigen Werbesprüche. Nur manchmal kommt sie eben nicht, die Bahn. Was nicht immer mit Streiks oder auf die Schienen gestürzten Bäumen zu tun hat. Sondern manchmal fehlt einfach auch ein Lokführer. Wie aktuell bei der Städtebahn Sachsen, die deshalb zwischen Neustadt und Sebnitz Busse statt Züge rollen lassen muss. Und das ist längst kein Einzelfall mehr. Auch im Landkreis Bautzen nicht.

Auch hier ist die Städtebahn unterwegs, nach Königsbrück und Kamenz über Radeberg. Und auch im Landkreis Bautzen mussten schon Züge wegen fehlender Lokführer pausieren. Nicht nur bei der Städtebahn, sondern auch auf der Strecke nach Bautzen, die von der Länderbahn betrieben wird, so Christian Schlemper. Und der Sprecher des Verkehrsverbunds Oberelbe (VVO), der für den Bus- und Bahnverkehr in der „Westhälfte“ des Kreises verantwortlich ist, weiß: „Natürlich ist das für die Fahrgäste nervig, die müssen sich auf die Angebote verlassen können.“ Deshalb habe man darauf gedrungen, „dass die Städtebahn nun kurzzeitig konsequent auf Schienenersatzverkehr umstellt, damit sich die Kunden darauf einstellen können“.

Um das Problem zu lösen, setzt die Städtebahn zunächst auf Fremdpersonal, heißt es. Wobei auch das schwierig ist, „es gibt auf dem Arbeitsmarkt faktisch keine verfügbaren Lokführer“, machte Städtebahn-Geschäftsführer Torsten Sewerin in diesem Zusammenhang deutlich.

Besonders gravierend war der Mangel dabei zu Jahresbeginn – und das bei so ziemlich allen Bahnunternehmen, die in der Region unterwegs sind. „An einem Tag waren gleich mehrere Züge auf der Hauptstrecke zwischen Dresden, Bautzen und Görlitz betroffen“, so Sandra Trebesius, Sprecherin des Verkehrsverbunds Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon). Der Verbund ist für Bautzener und Bischofswerdaer Raum des Kreises zuständig. Die schlimme Grippewelle hatte damals zugeschlagen, „da wurde deutlich, wie dünn die Personaldecke bei den Zugunternehmen insgesamt ist“, kann sich auch VVO-Sprecher Schlemper noch genau erinnern. Aktuell läuft es auf der wichtigen Strecke weitgehend problemlos, so Jörg Puchmüller von der Länderbahn. „Grundsätzlich ist das aber natürlich ein Thema“, gibt er unumwunden zu.

Personal auf Bautzen-Strecke bleibt

Helfen können die Verkehrsverbünde nur wenig. Sandra Trebesius vom Zvon verweist allerdings auf eine neue gesetzliche Regelung, dass bei Neuvergaben von Zugverbindungen – wie jetzt zwischen Dresden, Bautzen und Görlitz sowie Zittau – der neue Anbieter das Personal übernehmen muss. Das schaffe ein wichtiges Stück Sicherheit für die Mitarbeiter, die sich dann nicht erst nach anderen Stellen umsehen. Im Dezember 2019 wird hier also ein neues Zugunternehmen an den Start gehen – eine Tochter der Deutschen Bahn –, aber das Personal wird dasselbe bleiben.

Gründe für den Lokführer-Mangel sehen zum Beispiel die beiden Bahn-Gewerkschaften unter anderem darin, dass nicht nach Bedarf, sondern nach Budget ausgebildet werde. Zudem habe bisher überwiegend ausschließlich die Deutsche Bahn Lokführer ausgebildet, „und das vor allem im Hinblick auf den eigenen Bedarf, der natürlich viel geringer ist, als die Zahl der Lokführer, die bundesweit gebraucht werden“, ärgert sich Uwe Reitz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Wie die Bahn dazu mitteilt, habe man zum Beispiel im vergangenen Jahr deutschlandweit 800 Lokführer eingestellt und rund 400 junge Leute in Lokführer-Ausbildung gehabt. In diesem Jahr werden es sogar 500 Azubis sein, heißt es aus der Bahn-Pressestelle in Leipzig auf SZ-Nachfrage. Auch die Länderbahn bildet aus, so deren Sprecher Jörg Puchmüller. „Wir bilden zudem auch Ausbilder aus, um für Fachkräftenachschub zu sorgen“, beschreibt er. Ein Fakt, den auch Zvon-Sprecherin Trebesius hervorhebt. „Die Bahnunternehmen haben das Problem erkannt“, findet sie.

Dennoch reichen all diese Versuche bei weitem nicht aus, ist EVG-Sprecher Uwe Reitz überzeugt. Vor allem dürfe es keine „Kurzausbildung“ mehr geben, „über wenige Monate, sondern eine richtige Berufsausbildung, auf die man stolz sein kann“, macht er klar. „Hier haben die Arbeitgeber leider geschlafen und versucht, ihre Vakanzen zu decken, in dem sie Lokführer bei Anderen abgeworben haben.“ Aber das funktioniere heute einfach nicht mehr. Ähnlich sieht man das bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Die Deutsche Bahn zum Beispiel habe seit der Wiedervereinigung Tausende Lokomotivführerstellen abgebaut und es lange versäumt, für Nachwuchs zu sorgen, so GDL-Sprecherin Gerda Seibert. „Heute liegt das Durchschnittsalter der DB-Lokomotivführer bei fast 50 – und das Problem wird sich somit noch verschärfen, weil viele in den Ruhestand gehen!“ Und Nachwuchs? Den sieht man bei beiden Gewerkschaften eher verschreckt durch Aussagen der Bahnchefs, es werde bald autonom fahrende Züge geben. Wo sei da noch die Perspektive?

Der Lokführerberuf müsse wieder attraktiver werden. Freie Tage könnten kaum geplant werden, „da die Schichtpläne nach wie vor relativ unverbindlich sind“, beschreibt EVG-Sprecher Reitz. Immerhin gehören Dumpinglöhne für Lokführer mittlerweile der Vergangenheit an, freut sich Gerda Seibert von der GDL. Seit ihre Gewerkschaft eigenständige Tarifverträge abschließe, wurden die Stundenlöhne bei der Deutschen Bahn um 40 Prozent erhöht. Und der Flächentarifvertrag gelte mittlerweile für 97 Prozent des Zugpersonals in Deutschland. Und doch fehlt es an Personal. Da könne man durchaus auch auf Seiteneinsteiger setzen, findet die GDL.

Es bleibt noch viel zu tun, damit es ohne Ausnahmen heißt: Die Bahn kommt.