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Wenn Firmen Schule machen

Ein IT-Dienstleister sorgt jetzt für Informatik-Unterricht in Leipzig. Für die besten Schüler gibt es eine Amerika-Reise.

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© Anja Jungnickel

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Verwitterte Platte, alte Holzfenster, blätternde Farbe: Die 84. Oberschule im Leipziger Hochhausviertel Grünau ist alles andere als eine Vorzeigeadresse. Doch seit dem neuen Schuljahr gehört sie zu einem neuen digitalen Leuchtturmprojekt in Sachsen. Ein internationaler IT-Dienstleister mit Stammsitz in Leipzig, die Comparex Group, hat Laptops für 90 ausgewählte Schüler an sechs Leipziger Oberschulen gesponsert. Außerdem konnte das Unternehmen 54 Mitarbeiter aus seiner Leipziger Belegschaft als Mentoren begeistern: Sie haben sich freiwillig für die wöchentlichen Unterrichtsstunden an den Oberschulen gemeldet.

Gemeinsam können die Experten und die Jugendlichen nun ein Jahr lang eine neue Spielart des Informatikunterrichts ausprobieren. Sie sollen zusammen technologische Projekte entwickeln, wie zum Beispiel eine Schul-App programmieren oder eine Internetseite aufbauen und gestalten. Darüber hinaus gibt es in den Herbstferien „Tech-Camps“. Auf zehn der 90 Schüler, die sich besonders engagieren, wartet am Ende des Schuljahres eine Reise ins Silicon Valley. Dort sollen sie neueste Entwicklungen von Technologieriesen wie Microsoft erleben können.

Es ist eine landesweit ziemlich einmalige Kooperation. Schulleiterin Martina Schulz hatte den Jugendlichen von der USA-Reise anfangs noch nichts erzählt – sondern zunächst nur 15 ernsthafte Interessenten für ein Projekt gesucht, die verlässlich zur Schule kommen, teamfähig sind und Durchhaltevermögen zeigen. Die ausgesuchten Neuntklässler freuen sich jetzt, die Arbeit mit dem Computer und das Programmieren kennenzulernen. „Ich würde gern am Rechner mehr selber machen können, auch gute Bewerbungen schreiben“, sagt die 16-jährige Miriam.

An der Schule schließt das „Tech-Teens“-Projekt eine große Lücke: Es mangelt an ausgebildeten Informatiklehrern. Der wichtigste Fachkollege sei seit längerem erkrankt, erzählt die Schulleiterin. Das Projekt betreut stattdessen eine engagierte Deutsch-Lehrerin.

Schirmherr der Initiative ist Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Nach seiner Neujahrsansprache habe ihn Comparex-Vorstandschef Thomas Reich spontan angesprochen, dass er junge Leute unterstützen wolle. So sei die Initiative entstanden. Wichtig sei vor allem, so Jung, dass die Fachleute von Comparex die Schüler mit ihrem Know-how begleiten. Selbst, wenn die Stadt Leipzig die Laptops für die Schüler bezahlen könnte, was kaum möglich sei, sei diese Kombination einmalig. Die Gastlehrer sind dabei nicht nur Software-Entwickler oder Programmierer, sondern auch aus anderen Unternehmensbereichen: der Marketing-Chef ebenso wie ein Teamleiter für Vertragserstellung.

Comparex beschäftigt weltweit fast 2 500 Mitarbeiter, ein Drittel davon in Leipzig, und machte zuletzt einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro. „Wir wollen den Tech-Teens zeigen, wie man im Silicon Valley denkt und arbeitet und sie beim Start in die digitale Berufswelt unterstützen“, sagt Vorstandschef Reich. Nebenbei dürfte sein Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv werden – Fachkräfte fehlen überall. Wenn das Pilotprojekt im ersten Jahr gut läuft, könnte es fortgeführt und ausgeweitet werden.

Digitale Revolution in Eigenregie

Vergleichbare Beispiele sind rar im Freistaat. Bekannt ist etwa das Sportgymnasium Klingenthal: Es wurde von der börsennotierten GK-Software in Schöneck mit mehr als 1 100 Mitarbeitern als digitale Schule ausgerüstet, um die Jugendlichen für Informatik und IT-Themen zu begeistern. Sponsoring solcher Art sei generell möglich, wenn ein paar Vorgaben beachtet werden, sagt der Sprecher des Kultusministeriums, Dirk Reelfs. So müsse ausgeschlossen sein, dass mit dem Engagement ein Erwerb von Leistungen oder Waren des Sponsors verbunden ist. Auch dürfe eine Schule nicht in eine Abhängigkeit vom Unternehmen geraten oder der Erziehungs- und Bildungsauftrag leiden. Das Ministerium unterstütze solche Kooperationen eher ideell, etwa mit einer Beratung, ob die Technik zur Schul-IT und zum Lehrplan passe.

Ein Förderprogramm zum Ausbau der digitalen Technik bietet der Freistaat derzeit nicht. Bund und Länder bereiten aber bis zum Jahresende einen „Digitalpakt Schule“ vor, um die Ausstattung zu verbessern.

Manche Schulen haben sich indes selbst auf den Weg gemacht: Das Lessing-Gymnasium in Döbeln ist im Frühjahr vom IT-Branchenverband Bitkom als erste Schule in Sachsen als „Smart School“ ausgezeichnet worden. Schüler, Lehrer und Eltern setzen dort in Eigeninitiative das Schulkonzept „Digitale Revolution in unseren Klassenräumen“ um. Fast alle Klassenzimmer sind mit Smartboards ausgerüstet, die Schule verfügt neben Computerkabinetten über 33 Tablets für den Unterricht, die Lehrer bilden sich regelmäßig fort.

Für Furore sorgte auch die engagierte Görlitzer Scultetus-Oberschule. Dort haben Schüler geholfen, einen 70 Meter langen Schacht für einen hauseigenen Glasfaseranschluss selbst zu buddeln.