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Wenn die Nacht nicht zur Ruhe kommt

An vielen Orten Sachsens ist es auch nachts alles andere als leise. Das betrifft nicht nur Ballungsräume wie Dresden.

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Von Alexander Buchmann

Sachsen ächzt unter der Sommerhitze. Wohl dem, der wenigstens in den Abendstunden und nachts durch ein offenes Fenster für Abkühlung sorgen kann. Je nach Wohnort dringt mit der frischen Luft aber auch ein Geräuschpegel in die Wohnung, der sich auf Dauer auf die Gesundheit auswirken kann. Davon sind Menschen in insgesamt 176 Gemeinden in ganz Sachsen betroffen. Das geht aus einer Antwort des sächsischen Umweltministeriums auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Kersten (Blaue Partei) hervor.

Die dazugehörigen Daten stammen aus einer Lärmkartierung, die 2017 durchgeführt worden ist. Hauptverursacher des Lärms ist der Straßenverkehr. Auch wenn ein direkter Vergleich zur vorherigen Kartierung aus dem Jahr 2012 wegen des unterschiedlichen Umfangs nur bedingt möglich ist, ist das Ergebnis eindeutig: die Zahl der Betroffenen steigt.

Straßenverkehr: Autos und Lkw verursachen den meisten Lärm

Zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens herrscht für mehr als 114 200 Sachsen keine Nachtruhe. In ihren Wohnungen sind die Geräusche vorbeifahrender Lkw und Autos lauter als 55 Dezibel. Bei nächtlichen Dauerbelastungen oberhalb dieses Pegels sei nach Angaben des Ministeriums von einer gesundheitlichen Relevanz auszugehen. Die meisten Betroffenen leben in den Ballungsräumen Leipzig, Dresden und Chemnitz, insgesamt über 85 700. Aber auch in Bautzen, Freital und Görlitz sind es jeweils mehr als 1 600 Betroffene. In Meißen, Pirna, Plauen und Zwickau noch mehr als 1 000. Im Jahr 2012 waren es noch rund 7 700 Personen weniger. Der Hauptgrund für den Anstieg ist nach Angaben des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) das Bevölkerungswachstum in den Ballungsräumen, wegen dem an Hauptverkehrsstraßen gelegene, früher leerstehende Gebäude saniert und bezogen worden seien.

Straßenbahn: In den Ballungsräumen mehr Betroffene

Mit über 32 100 Betroffenen sind Straßenbahnen nachts die zweitgrößte Lärmquelle. Wie viele Sachsen genau dem Lärm vorbeifahrender Bahnen ausgesetzt sind, ist unklar. Denn erfasst werden nur die Ballungsräume Dresden, Chemnitz und Leipzig. Dort hat sich die Zahl der Betroffenen jedoch deutlich erhöht. 2012 waren es noch knapp 29 000 Menschen. Der Hauptgrund für den Anstieg ist dabei der gleiche wie beim Lärm durch den Straßenverkehr – das Bevölkerungswachstum in den Ballungsräumen. Die meisten Menschen sind dem Lärm durch Straßenbahnen in Leipzig ausgesetzt. Auf die Stadt an der Pleiße entfallen 61 Prozent der Betroffenen, auf Dresden mehr als ein Drittel.

Eisenbahn: Nachts ist es nicht nur in den Großstädten laut

Was die Anzahl der Betroffenen betrifft, rangieren die Eisenbahnen auf Platz drei. Jede Nacht sind deren Lärm fast 32 000 Sachsen in einem Maß ausgesetzt, dass sich gesundheitlich auswirken könnte. Fast die Hälfte davon lebt mit 7 800 beziehungsweise 7 320 Betroffenen in den Ballungsräumen Dresden und Leipzig. Aber auch in kleineren Städten ist es nicht zwangsläufig still. In Heidenau, Pirna und Radebeul sind weit über tausend Anwohner betroffen. 2012 waren es nach Angaben des LfULG sachsenweit aber noch rund 1 500 mehr.

Fluglärm: Am Flughafen Leipzig ist es ruhiger geworden

Beim Fluglärm erfasst die Lärmkartierung nur den Leipziger Flughafen. In den Nachtstunden ist nach Angaben des LfULG bei 966 Menschen der Fluglärm lauter als 55 Dezibel. Damit hat sich deren Anzahl seit der Lärmkartierung 2012 jedoch mehr als halbiert. Damals waren nachts rund 2 100 Personen einem solchen Lärmpegel ausgesetzt. Rechnet man die Betroffenen in Sachsen-Anhalt mit ein, verdoppele sich die Zahl in etwa, heißt es aus dem Landesamt. Ursache des nächtlichen Lärms sei der Frachtflugverkehr, teilt Landesamtssprecherin Karin Bernhardt mit.

Die Lärmkartierung: Das sind die Kriterien

Für die alle fünf Jahre stattfindende Lärmkartierung gibt es klare Kriterien. Erfasst werden Ballungsräume mit mehr als 100 000 Einwohnern, Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als drei Millionen Fahrzeugen pro Jahr, Haupteisenbahnstrecken mit jährlich mehr als 30 000 Zugbewegungen sowie Großflughäfen mit mehr als 50 000 Flugbewegungen pro Jahr. Strecken unterhalb des genannten Verkehrsaufkommens fließen nicht mit ein. Berücksichtigt werden auch das Verkehrsaufkommen, Lkw-Anteile, zulässige Höchstgeschwindigkeiten und die Art des Straßenbelags. Zusätzliche Lärmbelastungen, beispielsweise durch die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit oder aber durch den zunehmenden Trend zur Umrüstung auf breitere Fahrzeugreifen, sind in der Lärmkartierung dagegen nicht abbildbar.

Die Grenzwerte: Eine Nähmaschine ist schon zu laut

„Eine feste Größe, ab wann Umgebungslärm als belästigend eingestuft wird, ist aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmung der Betroffenen und unterschiedlichem Belästigungspotenzial der einzelnen Lärmquellen nicht zu definieren“, heißt es aus dem Umweltministerium. Nach der Richtlinie für Umgebungslärm ist eine Belästigung ab einem Geräuschpegel von mehr als 55 Dezibel für 24 Stunden und einem Pegel von mehr als 45 Dezibel für die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr möglich. Bei Dauerbelastungen oberhalb eines Nachtlärmpegels von 55 Dezibel und Taglärmpegels über 65 Dezibel sei von einer gesundheitlichen Relevanz auszugehen.

Zum Vergleich: Flüstern entspricht einer Lautstärke von 30 bis 40 Dezibel, ein normales Gespräch oder eine Nähmaschine 65 Dezibel. Eine Zunahme des Pegels um zehn Dezibel entspricht dabei einer Verdopplung der Lautstärke.