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Wenn der Staat die Karriere ruiniert

Den ehemaligen Leitern des Biosphärenreservats in Wartha ist Unrecht widerfahren. Der Vorgang ist beispiellos.

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© Wolfgang Wittchen/Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Wartha. Astrid Mrosko hätte schon gern ein echtes Wort der Entschuldigung gehört. Aber ein Minister kann sich wohl nicht einfach so entschuldigen für die Vorgänge in seinem Ministerium, die jetzt drei Jahre zurückliegen und die dazu geführt haben, dass zwei engagierte Mitarbeiter seiner Behörde ihren Job verloren. Völlig zu Unrecht, wie sich später herausstellen wird.

Astrid Mrosko wird nachdenklich. Wenigstens, sagt sie, war es ein gutes Gespräch, zu dem Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) sie vorige Woche eingeladen hatte. „Er hat uns bestätigt, dass alle Vorwürfe gegen uns ausgeräumt sind“, sagt sie. Das noch einmal so offiziell zu hören, ist ihr wichtig – auch jetzt, drei Jahre später noch.

Astrid Mrosko ist jetzt 64 und Rentnerin. Das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, das sie stellvertretend geleitet hat, ist ihr Lebenswerk. Und es ist das Lebenswerk ihres Chefs, Peter Heyne: Das „Haus der Tausend Teiche“, die Partnerprojekte mit den Biosphärenwirten, die Radwege und Naturlehrpfade, die Rückkehr alter Getreidesorten, das Biokarpfen-Projekt, der Erhalt eines einzigartigen Lebensraums – die Unesco-Kommission, die die Entwicklung des Biosphärenreservats regelmäßig kontrolliert, ist des Lobes voll: „ein internationales Vorbild“, attestieren die Fachleute.

Nach einer Umstrukturierung in der Verwaltung wechselt das Biosphärenreservat 2008 aus der direkten Zuständigkeit des Umweltministeriums zum Staatsbetrieb Sachsenforst. Die neuen Vorgesetzten sind in erster Linie Forstwirtschaftler und verfolgen eher wirtschaftliche Interessen wie den Holzeinschlag oder die Verpachtung von Nutzflächen. Viele Entscheidungen, die sie treffen, können Heyne, der Biologe, und Mrosko, die promovierte Agrarwissenschaftlerin, nicht mittragen.

Sie wenden sich mit einem kritischen Brief an das Umweltministerium. Beim Sachsenforst beginnt daraufhin für sie ein beispielloser Spießrutenlauf. Sie werden mit zahlreichen Vorwürfen konfrontiert, unter anderem der Untreue, Vorteilsnahme und Korruption bezichtigt. Astrid Mrosko erhält die Kündigung, Peter Heyne wird versetzt. Er kündigt wenig später von sich aus. Astrid Mrosko wird gekündigt. Sie klagt. Das Gericht stellt fest, dass alle Anschuldigungen haltlos und die Kündigungen damit rechtswidrig sind.

Auch für die Mitarbeiter des Biosphärenreservats, für den Reservatsrat, für Bürgermeister und Naturschützer in der Region sind diese Vorgänge nicht nachvollziehbar. Mit einer Petition wenden sie sich an den Landtag und fordern Aufklärung. Der Sachsenforst hat ja nie Beweise für die Anschuldigungen vorgelegt, sagt Reservatsratsvorsitzender Vinzenz Baberschke, einer der Petenten.

Lebenswerk zunichte

Der Petitionsausschuss prüft den Fall und bestätigt die Gerichtsentscheidungen. Auf Beschluss des Landtags muss der Freistaat die beiden Mitarbeiter öffentlich rehabilitieren. Umweltminister Thomas Schmidt hat das vorige Woche getan – für Astrid Mrosko und Peter Heyne eine Geste, auf die sie lange warten mussten. Genugtuung empfinden sie beide nicht. „Den seelischen Schaden kann man nicht wiedergutmachen“, sagt Astrid Mrosko. Sie ist lange krank. Ihr Lebenswerk ist zunichtegemacht auf eine Art und Weise, die ihr unverständlich ist. „Ich frage mich bis heute, wie das gehen konnte“, sagt sie.

Nach dem Beschluss des Landtags hätten Astrid Mrosko und Peter Heyne jetzt auch Anspruch auf Schadenersatz und die Nachzahlung von Gehältern und Pensionsansprüchen. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie das jetzt weitergeht“, sagt Astrid Mrosko. Für Peter Heyne ist das Kapitel Biosphärenreservat abgeschlossen. Der 58-Jährige hat sich noch einmal eine neue Existenz aufgebaut, lebt und arbeitet inzwischen in Leipzig. Eines aber wünschen sie sich beide noch: dass man jetzt auch im Sachsenforst Konsequenzen zieht.