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Wenn der Freistaat erbt, wird das für ihn meist teuer

Wenn sich kein Erbe findet oder Angehörige Hinterlassenschaften ausschlagen, fällt der Nachlass an den Staat – und das kommt inzwischen immer häufiger vor.

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© Jens Büttner/dpa

Von Simona Block

Dresden. Vermüllte Wohnungen, Schulden, wertloser Krempel: Der Freistaat Sachsen macht immer mehr Erbschaften, das lukrative Testament aber ist die absolute Ausnahme. Per Gesetz fallen indes alljährlich mehr überschuldete Nachlässe oder solche an das Land, die gerade mal zur Begleichung der Gläubigerforderungen ausreichen. „Erbschaften sind eher ein Verlust für den Freistaat“, sagte Stefan Wagner vom Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement (ZFM). Der Trend gehe weiter nach oben.

Laut Statistik stellten die Nachlassgerichte 2017 in 1 192 Fällen den Fiskus als Erben fest. Der Bestand erhöhte sich damit um 338 auf 4 234 unfreiwillige Nachlässe. 853 Fiskalerbschaften wurden abgeschlossen. Zu etwa 30 Prozent erbt der Freistaat Immobilien – Häuser, Garagen, Kleingärten oder auch Gasthöfe, die meist überschuldet sind. Die Kosten für Unterhaltung oder Entsorgung der Erbschaften sind oft höher als das, was hereinkommt, berichtet Wagner. Seit 2007 musste das Land draufzahlen – zwischen knapp 400 000 Euro 2014 und mehr als 1,3 Millionen Euro 2013. Nur für das Jahr 2015 stand einmal ein „Gewinn“ von 794 000 Euro zu Buche.

Eine Kunstsammlung als Ausnahme

„Mietwohnungen umfassen derzeit rund 40 Prozent unserer Fälle“, erzählte der kommissarische ZFM-Geschäftsführer. „Der vorhandene Hausrat hat überwiegend keinen Marktwert.“ Dabei erbt der Staat zudem immer häufiger Schulden auf Häuser und Konten, Ruinen, alte Autos, zugemüllte Wohnungen oder wertlosen Kram. „Der Trend setzt sich fort.“

Auch Unterhaltspflichten an Liegenschaften sowie Personal- und Sachkosten schmälern den Gewinn oder zehren ihn auf. So nahm der Freistaat im vergangenen Jahr zwar mehr als 3,9 Millionen Euro aus Erbschaften ein, musste aber fast 2,3 Millionen Euro ausgeben – für Unterhaltung und Entsorgung. Angesichts von etwa 2,2 Millionen Euro Personal- und Sachkosten rechnet Wagner auch für 2017 wieder mit einem Defizit. Zu den wertvollen Raritäten gehören diesmal die zwölf Schusswaffen eines Jägers, ein saniertes Haus in der Altstadt von Auerbach im Vogtland, dazu eine denkmalgeschützte Ziegelfabrik von 1880, eine Internetfirma und sogar eine umfangreiche Kunstsammlung. „Das ist die absolute Ausnahme“, sagt Wagner. Vererbt hat dem Freistaat diese Gemälde und Kunstgegenstände die Ehefrau des Malers und Grafikers Günter Horlbeck (1927-2016), die Künstlerin Irmgard Horlbeck-Kappler – beide namhafte Vertreter des abstrakten Expressionismus.

Seit Beginn der Erfassung im Jahr 2003 haben sich die Fiskalerbschaften laut Statistik fast verdoppelt. Auch für 2018 zeichne sich eine weitere Zunahme ab. Gründe sind laut Wagner die demografische Entwicklung, aber auch der Zuwachs von Singlehaushalten und fehlende familiäre Strukturen in Großstädten. Der Staat übernimmt per Gesetz alles vom Hausrat bis zu Gebäuden, von denen aber nur ein Bruchteil tatsächlich Geld bringt. Autos, Schmuck, Fernseher und anderes wird im besten Fall über Auktionshäuser und Nachlassverwerter versilbert, berichtete Wagner: „Der Rest kommt auf den Müll.“ (dpa)