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Weiter Rechtsstreit um Bildungsempfehlung

Eine Schülerin hat sich vor Gericht den Weg zum Gymnasium erstritten. Das Kultusministerium bleibt stur.

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© Symbolbild: dpa

Von Karin Schlottmann

Eigentlich schien der Fall geklärt zu sein. In einem Eilverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht Bautzen die Regelungen zur Bildungsempfehlung für Viertklässler gekippt und die Landesregierung zu einer gesetzlichen Neuregelung verdonnert. Die Schule greife in das verfassungsrechtlich geschützte Erziehungsrecht der Eltern ein, deshalb dürfe der Übergang auf die weiterführende Schule nicht nur in einer Ministeriums-Verordnung geregelt werden, entschieden die Richter.

Der Landtag reagierte umgehend. Er verabschiedete ein neues Gesetz, in dem es bei dem Notendurchschnitt von 2,0 bleibt. Zugleich gibt es den Eltern aber das Recht, ihr Kind gegen die Empfehlung bei einem Gymnasium anzumelden. Am 1. März erhalten etwa 28 000 Kinder ihre Bildungsempfehlung auf Basis des neuen Gesetzes.

Die Landesregierung hat ihre überraschende Niederlage vor Gericht aber offenbar längst nicht verdaut. Am 30. Januar schickte die Bildungsagentur einen Widerspruchsbescheid an die Eltern der Klägerin. Die Familie hatte den Rechtsstreit gegen das Land gewonnen, die Tochter besucht seit Herbst ein Dresdner Gymnasium, obwohl sie in Mathematik nur eine 3 hatte und damit nach altem Recht die Voraussetzungen nicht erfüllte.

Mit dem Widerspruchsbescheid wird entgegen dem Wortlaut der Gerichtsentscheidung die Entscheidung der Grundschule bestätigt, mit der der Schülerin der Weg zum Gymnasium verbaut wurde. Mit anderen Worten: Die Behörde tut so, als gäbe es weder den Eil-Beschluss des Oberverwaltungsgerichts noch das neue Gesetz über die Bildungsempfehlung.

„Wir waren völlig geplättet“, sagt der Vater. „Das ist eine Frechheit.“ Auch seine Anwältin ist sehr überrascht. Sie habe erwartet, dass dem Widerspruch aufgrund der eindeutigen Gerichtsentscheidung stattgegeben wird. Die Bildungsagentur möchte ihr ungewöhnliches Vorgehen nicht erläutern. Eine Sprecherin teilte auf SZ-Anfrage mit, sie gebe zum Sachstand keine Auskunft. „Wir möchten aber die Eltern beruhigen und wissen lassen, dass der Ausgang des Widerspruchsverfahrens keine negativen Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Schullaufbahn ihres Kindes am Gymnasium haben wird.“

Verlassen will sich die Familie auf diese unverbindlichen Worte nicht. „Wir werden dazu gezwungen, erneut zu klagen.“ Die Eil-Entscheidung des Gerichts sei nur vorläufig ergangen. „Hier wird nachgetreten. Das Kultusministerium kann die Niederlage nicht akzeptieren.“ Tatsache ist, dass der juristische Erfolg der Eltern hinfällig wäre, wenn nach der Widerspruchsentscheidung nicht geklagt und damit der Ausgangsbescheid bestandkräftig würde. Das könnte bedeuten, dass das Kind das Gymnasium wieder verlassen und auf die Oberschule wechseln müsste.

Die Motive des Kultusministeriums bleiben unklar. Geht es um Abschreckung oder ums Prinzip? Spielen die Kosten, die das Land als Verlierer zu tragen hat, eine Rolle? Ziel ist es offenbar, den Rechtsstreit um die Bildungsempfehlung in einem Hauptsacheverfahren völlig neu aufzurollen. Im konkreten Fall hat das Oberverwaltungsgericht allerdings den Konflikt auf Grundlage der Landesverfassung gelöst. Es ist nicht davon auszugehen, dass dieselben Richter plötzlich ihre Rechtsauffassung ändern und ein ganz anderes Urteil fällen.

Die Familie muss mit einem Restrisiko leben. Ihr droht ein langer Prozess, Jahre der Ungewissheit und hohe Kosten. „Das Verfahren kann mich bis zu einem Urteil in etwa zwei Jahren bis zu 10 000 Euro kosten“, sagt der Vater. Die Klageschrift ist beim Verwaltungsgericht Dresden eingegangen. „Wir ziehen das durch.“