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Waschbär rottet Graureiher aus

Vogelkundler ziehen eine traurige Bilanz. Immer mehr seltene Arten fallen dem gefräßigen Räuber zum Opfer.

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© Norbert Millauer

Von Bernd Katzer

Elbland. Ruhig ist es auf der Elbinsel Gauernitz geworden. 20 Jahre lang war hier der krächzende Ruf von bis zu 250 Graureihern zu hören. Jetzt gilt die große Brutkolonie als ausgestorben. Waschbären haben sie zum Erlöschen gebracht. So ist es einer kürzlich veröffentlichten Bilanz der Fachgruppe Ornithologie Meißen zu entnehmen. „Wenn wir nicht handeln, werden wir noch mehr wertvolle Vogelkolonien verlieren“, heißt es in dem der SZ vorliegenden Brandschreiben.

Der Graureiher gehört zur Familie der Reiher und damit zu den Stelzvögeln.
Der Graureiher gehört zur Familie der Reiher und damit zu den Stelzvögeln. © dpa

Neben weiteren Beispielen wird mit besonderem Nachdruck auf das Verschwinden des Graureihers hingewiesen. Die 1992 erstmals mit sieben Brutpaaren besetzte Kolonie auf der Elbinsel zwischen Gauernitz und Kötitz durfte über zwei Jahrzehnte lang als Erfolgsgeschichte gelten. Jahr für Jahr wuchs sie stetig um neue Paare. Graureiher zählen mit rund 1,70 Meter Flügelspanne zu den imposantesten Großvögeln in Deutschland. Mit seinem mittelgrauen, unterseits weißlich-grauen Gefieder fällt das Tier am Boden oft nicht besonders auf. Wenn der Reiher jedoch mit seinen gewölbten Schwingen, im Ruderflug und dem s-förmig gebogenen Hals durch die Luft gleitet, zieht er die Blicke auf sich. Während der Brutzeit ab März und bis in den Mai hinein trägt er ein Prachtkleid mit gelbem Schnabel und langen Schmuckfedern am Kopf. Mit drei bis sieben grünlichen Eiern, die in 28 Tagen ausgebrütet werden, schafft der Großvogel eigentlich die Basis für eine zahlreiche Nachkommenschaft, wenn da nicht der Waschbär wäre.

Hinzu kommt: Graureiher können für Vögel vergleichsweise sehr alt werden. Dem sogenannten Ringfundatlas zufolge wurden mehrfach Graureiher angetroffen, die über 18 Jahre alt waren. Andere Angaben sprechen sogar von 35 Jahren. Waschbären allerdings fressen die Eier der Graureiher genauso wie Jungvögel. Als gutem Kletterer bereitet es dem Räuber keine Mühe, die Horste seiner Opfer zu erreichen und anschließend zu plündern.

Den Meißner Vogelkundlern zufolge soll neben der Graureiher-Kolonie auf der Elbinsel Gauernitz auch die Population am Dammmühlenteich bei Schönfeld erloschen sein. Dokumentiert seien zudem mehrere Fälle, wo Waschbären Nester des Weißstorchs, Habichts, Kolkraben und weiterer Vögel geplündert hätten.

Natürliche Hindernisse überwindet der seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts im Landkreis nachgewiesene Einwanderer ohne größere Probleme. Der Waschbär ist ein guter Schwimmer, der bevorzugt in der Nähe von Flüssen und anderen Gewässern lebt. So breitete er sich auch auf den Inseln im Zschornaer Großteich aus. Im dortigen Naturschutzgebiet befand sich das beständigste und am längsten besetzte Brutvorkommen der Schwarzkopfmöwe in Sachsen. Da diese sehr schöne Möwenart extrem selten und nur lokal vorkommt, wurde sie in die „Rote Liste“ gefährdeter Tierarten aufgenommen.

Die Waschbären allerdings sorgten dafür, dass seit vier Jahren weder Lach- noch Schwarzkopfmöwen auf den Inseln vorkommen. Dagegen half auch der Einsatz des Naturschützers und Jägers Lutz Runge nicht, der innerhalb von drei Monaten auf den kleinen Brutinseln der Möwen über 30 Waschbären einfing.

Angesicht dieser Rückschläge fordern die Vogelfreunde harte Schritte gegen den Waschbären bis hin zu Fangprämien. In der Jägerschaft ist ihre Botschaft bereits angekommen. So sollen dieses Jahr erstmals deutlich über 2 000 Waschbären im Kreis geschossen werden, im günstigsten Fall bis zu 3 000 Exemplare. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 erlegten die Jäger im Landkreis lediglich sechs Waschbären.

Eine Grundlage für diese Offensive liefert nicht zuletzt ein aktueller Beschluss der EU-Kommission. Diese hat den Waschbär jetzt in Brüssel auf eine Liste unerwünschter Tier- und Pflanzenarten gesetzt. Insgesamt umfasst diese erste Liste invasiver fremder Arten 37 verschiedene Pflanzen und Tiere, deren weitere Ausbreitung in Europa bekämpft werden soll.