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Was Lehrer-Bewerber in Sachsen so erleben

Referendare kritisieren den Umgang mit Bewerbern. Das Verfahren soll verbessert werden.

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© dpa/Marijan Murat

Von Andrea Schawe

Leise Stimmen flüstern: „Hast du schon was?“ „Nein, und du?“ Ein trauriges Kopfschütteln. Die leisen Stimmen flüstern seit Mitte Mai, erzählt eine Referendarin. „Ungewissheit und Angst, nach den Sommerferien ohne Job dazustehen, steigen.“ Sie sind junge, engagierte Menschen, die ihr Studium und den Vorbereitungsdienst in Sachsen absolviert haben und hier Lehrer werden wollen. Einige seien aus Idealismus sogar nach dem Studium aus dem Westen in die Heimat zurückgekehrt, um der Jugend in Sachsen eine gute Bildung zu ermöglichen. „Aber wir werden hier nicht gebraucht.“

Das Problem: „Wir haben Fächer studiert, für welche kein Bedarf besteht.“ Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch: Sprachen, die im Zeitalter der Globalisierung wichtig werden und auch der Kommunikation zwischen Europäern dienen würden, seien überflüssig geworden, sagt die junge Frau. „Man setzt auf Seiteneinsteiger, nicht auf grundständig ausgebildete Lehrer, die fünf Jahre Didaktik und Bildungswissenschaften studiert haben und dadurch auf dem neusten Stand sind, was Methoden im Unterricht und Entwicklungs- und Lernpsychologie betrifft.“

Dabei ist es im laufenden Einstellungsverfahren erklärtes Ziel, dass alle grundständig ausgebildeten Bewerber ein Angebot bekommen, sagt Roman Schulz, der Sprecher des Landesamtes für Schule und Bildung. „Wir wollen so viele wie möglich einstellen.“ Bis Anfang Juni seien Angebote gemacht worden. „Ich gehe davon aus, dass alle ein Angebot bekommen haben.“

Einigen Bewerbern sei allerdings eine Stelle in einer anderen Schulart oder Region angeboten worden, als die, für die sie sich beworben haben. Eine „Problemkonstellation, die das Einstellungsverfahren erschwert“, sind die vielen Bewerber für Posten in Gymnasien, sagt Schulz. Mehr als 460 der ausgebildeten Bewerber haben Gymnasiallehramt studiert – mehr als die Hälfte der Bewerber mit Pädagogik-Studium. In dieser Schulart hat der Freistaat allerdings nur 264 Stellen zu vergeben.

„Dazu kommen Fächerkombinationen mit Deutsch, Religion, Französisch und Ethik, in denen der Bedarf nicht so groß ist“, erklärt Schulz. Zusätzlich muss das Landesamt noch die „regionale Unwucht“ in Richtung der großen Städte Leipzig und Dresden ausgleichen. Der Bewerberpool sei für alle Regionen offen, wenn die Stellen in den Großstädten besetzt sind. Auf diese Angebote für andere Schularten und Regionen würden manche Bewerber gar nicht erst reagieren. „Für einige zählt nur die Karte, auf die sie selbst gesetzt haben“, sagt Schulz.

Das Ergebnis: „Wir sind desillusioniert, ausgelaugt“, sagt die Lehrerin. Einige haben sich dazu entschieden, in andere Bundesländer zu gehen – „nicht unbedingt wegen des Gehalts, sondern weil man Rückmeldung auf seine Bewerbung bekam, wusste, woran man war, und am Telefon sogar freundlich behandelt wurde“, sagt sie. Andere hätten Angebote von Privatschulen angenommen oder würden in der Erwachsenenbildung arbeiten.

Die Arbeit des Landesamtes wird seit Jahren kritisiert: Einstellungsgespräche fänden so gut wie nie statt, die Verträge würden ohne Verhandlung zur Unterschrift vorgelegt, hieß es. Seit 2017 können sich Lehrer zwar an manchen Schulen direkt bewerben – sogenannte schulscharfe Stellenausschreibungen. Doch fehlende Rückmeldungen und späte Entscheidungen des Landesamtes führen dazu, dass sich die Bewerber anderweitig umgucken.

„Das Einstellungsverfahren muss besser werden“, sagte Kultusminister Christian Piwarz auf einem Bildungsforum. „Wir brauchen einen Mentalitätswechsel.“ Das Landesamt müsse serviceorientierter arbeiten, die Bewerber anders ansprechen. „Wir sind die Letzten, die sich melden, und wir schreiben den formellsten Brief.“