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Was die Polizei mit Drogen macht

Die Zahl der Drogendelikte in der Oberlausitz steigt. Die Polizei will jetzt vor allem die Eltern aufklären - mit einem Koffer voller Rauschmittel.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Jana Ulbrich

Der Koffer mit den Drogen ist für die Eltern. „Die Schüler brauchen das in der Regel gar nicht“, sagt Berko Thomas. „Sie wissen, wie so etwas aussieht.“ Aber den Eltern müssen Thomas und seine Kollegen vom Präventions-Fachbereich der Görlitzer Polizeidirektion ab und zu Nachhilfe geben: Was in dem Koffer aussieht wie grüner Tee, das ist Marihuana. Diese braunen, festen Knete-Klümpchen hier, das ist Haschisch. Und diese schönen bunten Pillen mit den aufgestanzten Bildchen sind eben keine Pfefferminzpastillen – sondern Ecstasy-Tabletten. Vom Crystal stecken gleich drei Varianten im Koffer: Neben großen, gelblichen Kristallen auch feineres und körnigeres Pulver, das man glatt für feines und grobes Meersalz halten könnte.

„Wir wollen die Eltern dafür sensibilisieren, zu Hause auch mal genauer hinzuschauen“, sagt Berko Thomas. Deshalb schleppen er und seine Kollegen die Drogenkoffer zu Elternabenden oder Lehrerweiterbildungen. Neben allen gängigen Drogenarten können sie den Eltern auch verschiedene Aufbewahrungsbehälter für Rauschgifte zeigen, Feinwaagen oder feine Reiben zum Zerkleinern der Drogen. Es ganz harmlos wirkenden Dinge, die da in den Koffern stecken.

Dass das alles ziemlich nötig ist, zeigen Umfragen und Ermittlungsergebnisse. In einer großen Schülerbefragung in den Landkreisen Bautzen und Görlitz, geben zahlreiche Schüler aus den höheren Klassenstufen an, selbst mehr oder weniger Kontakt mit illegalen Drogen zu haben, oder dass Drogen im Freundeskreis eine Rolle spielen. Zwar ist ihr Anteil noch relativ gering, Berko Thomas vermutet jedoch, dass es bei den Antworten auf diese Frage – anders als etwa bei den Fragen zum Alkoholkonsum – auch eine gewisse Hemmschwelle geben dürfte. Vor allem unter den 16- bis 18-Jährigen würden Drogen eine zunehmende Rolle spielen, sagt die Erfahrung des Polizeihauptkommissars.

Weit über 1 000 Fälle illegalen Drogenbesitzes konnten Polizeibeamte im vorigen Jahr bei Kontrollen feststellen, in diesem Jahr war diese Zahl schon im dritten Quartal erreicht, weiß der Görlitzer Polizeisprecher Thomas Knaup. Der Anstieg der Fallzahlen könnte zwar auch damit zu tun haben, dass 2017 mehr kontrolliert wurde – aber allein 1 000 polizeibekannt gewordene Einzelfälle lassen das Ausmaß des Drogenkonsums in der Oberlausitz erahnen. Die Dunkelziffer dürfte hier um ein Vielfaches höher sein.

Erschreckend viel Alkohol
„Um so wichtiger ist die Präventionsarbeit“, sagt Berko Thomas. „Und zwar nicht nur bei den Jugendlichen selbst, sondern eben auch bei den Eltern.“ Viele wüssten nicht, was sich im Freundeskreis ihrer jugendlichen Kinder abspielt oder worauf bestimmte Veränderungen im Verhalten ihrer Kinder hindeuten könnten. Viel zu oft würde es stattdessen später heißen: „Das haben wir alles nicht gemerkt.“ Dem will Berko Thomas so gut wie möglich vorbeugen. Gemeinsam mit Mitarbeitern aus Schul- und Jugendämtern und freien Trägern hat die Polizei in Ostsachsen ein Präventionsnetzwerk – kurz: PIT – gegründet.

„Wir planen hier ganz gezielten Aktionen, nicht nur in Schulen, sondern auch dort, wo Jugendliche sich in ihrer Freizeit treffen oder abend in Discos“, kündigt er an. Dabei soll es nicht nur um die harten Drogen gehen, sondern vor allem auch um ein Rauschmittel, das Berko Thomas noch viel mehr Sorgen macht, weil es eben nicht verboten, sondern gesellschaftlich akzeptiert ist: Alkohol. Die Ergebnisse der großen Schülerumfrage, an der sich rund 20 000 Schüler aus 91 Oberschulen, Berufsschulen und Gymnasien der Kreise Bautzen und Görlitz beteiligt haben, nämlich zeigen beim Thema Alkohol Erschreckendes:

Ab Klassenstufe 8 steigt der Alkoholkonsum der Schüler kontinuierlich, besonders an den Gymnasien. In den Klassenstufen 8 bis 10 gibt jeder zweite Jugendliche an, Bier oder Wein zu trinken, in den Klassenstufen 12 und 13 sind es 75 Prozent. Jeder Dritte der 14 bis 16-Jährigen und knapp die Hälfte der 17- und 18-Jährigen sich regelmäßig einen Rausch anzutrinken.

Den hohen Anteil erklärt Berko Thomas mit der „Salonfähigkeit“ von Alkohol in Familien und der Gesellschaft. „Es gibt zwar klare Gesetze, aber keine Vorbilder“, sagt er. „Wer erklärt denn den Jugendlichen, dass das falsch ist oder dass in einem Mixgetränk ein doppelter Schnaps steckt?“ Auch das spricht er an, wenn er mit dem Koffer voller Drogen unterwegs ist.