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Viele verkaufte Bahnhöfe verfallen

Die Bahn besitzt nicht mal mehr jeden sechsten Bahnhof. Der Freistaat Sachsen sieht sich nicht in der Pflicht – im Gegensatz zu anderen Ländern.

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© Norbert Millauer

Von Michael Rothe

Dresden. Die Deutsche Bahn ist fein raus und Ballast los: Von 389 Bahnhöfen in Sachsen sind nur noch 61 Stations- und Empfangsgebäude in ihrem Besitz. Den übergroßen Rest hat der Konzern verkauft, 110 allein im Direktionsbezirk Dresden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hervor. Danach haben Kommunen 37 Immobilien erworben, das Gros ging an Privatleute.

„Die Folgen des Verkaufs sind überall sichtbar: Bahnhöfe verfallen“, sagt der Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn, einer der Fragesteller. Die abgerissene Station Klingenthal zeige, was passiert, wenn Kommunen von Bund und Land allein gelassen würden. Er fordert, das im Koalitionsvertrag verankerte „1 000-Bahnhöfe-Förderprogramm“ zur Sanierung kleiner Haltepunkte zügig zu starten. Bahnhöfe müssten attraktive Mobilitätsstationen werden, die Stadt- und Regionalbusverkehr verknüpfen, über Park+Ride- und Fahrradplätze und E-Ladesäulen verfügen, so Kühn.

Seine Parteifreunde in Sachsen wollen eine Beschlussvorlage in den Landtag einbringen. Danach soll der Freistaat die bei knapp einem Viertel der Bahnhöfe fehlende Barrierefreiheit mit Eigenmitteln herstellen und im Doppelhaushalt 2019/20 untersetzen. Der Freistaat sieht sich nicht gefordert. Das Verkehrsministerium habe „keine detaillierten Informationen zum Zustand der Bahnhöfe“, heißt es auf SZ-Anfrage. Eine Bewertung des Gesamtzustands sei „daher nicht möglich“. Ein Landesprogramm sei „nicht zielführend“, es gebe bereits „eine ÖPNV-Investitionsförderung auf sehr hohem Niveau“, hatte Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) 2017 erklärt. „Die Pflicht zum Schutz und Erhalt der Bausubstanz obliegt dem Eigentümer der Gebäude und Betreiber der Bahnhöfe“, antwortet sein Ministerium jetzt. Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg haben hingegen Programme für eine Stationsoffensive, in denen sie sich mit der Bahn in teils dreistellige Millionenkosten und Risiken teilen.

Es sei nicht vermittelbar, dass sich der Freistaat an der Verschönerung von Bahnhöfen beteiligt, wenn sich gleichzeitig die Barrierefreiheit auf Jahrzehnte hinaus verschlechtere, weil ein umstrittenes Bahnsteighöhenkonzept – 76 statt 55 cm – umgesetzt werden soll, argumentiert das Ministerium. Man wolle das Bundesprogramm abwarten. Der Freistaat habe 45 Projekte für das Investitionsprogramm zur Barrierefreiheit kleiner Stationen angemeldet. Dass nur Großröhrsdorf und Neugersdorf ins Programm gekommen seien, läge am vom Bund geforderten Mittelabfluss bis 2018. Für die anderen Stationen habe es am Planungsvorlauf durch DB Station&Service gefehlt. Ist die Bahn doch nicht fein raus?