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Biber und Spinnen im Blick

Im Landkreis Görlitz gibt es Flora-Fauna-Habitate. Da leben Flusswolfsspinne, Biber und Rotbauchunke, Tiere, die immer seltener werden. Die Geschichte der Habitate war eine steinige.

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Von Constanze Junghanß

Aktuell steht bei Kay Sbrzesny, Mitarbeiter beim Landschaftspflegeverband (LPV) Oberlausitz mit Sitz in Reichenbach, die Flussuferwolfsspinne im Fokus. Die immer seltener anzutreffende Achtbeinige findet entlang der Neiße ihr Domizil – genauer gesagt, auf deren Sandbänken. Vier Sandbänke mit dem Röhren buddelnden Spinnentier gibt es mindestens: In Niederneundorf und Ungunst, Ostritz und Zodel. Dort ist aktuell und künftig Aufgabe des LPV, unerwünschten Bewuchs wie Schilf auf den Sandbänken zu entfernen. Das Neißetal mit seinem weitgehend naturbelassenem Flusslauf, Auenwaldresten und Weidengebüschen ist FFH-Gebiet.

Der Biber fühlt sich wieder wohl in der Oberlausitz. Etwa 200Tiere gibt es im Landkreis, der Landschaftspflegeverband Oberlausitz hat sie unter Beobachtung – und auch die Schäden, die sie anrichten. Fotos: dpa, C. Junghanß
Der Biber fühlt sich wieder wohl in der Oberlausitz. Etwa 200Tiere gibt es im Landkreis, der Landschaftspflegeverband Oberlausitz hat sie unter Beobachtung – und auch die Schäden, die sie anrichten. Fotos: dpa, C. Junghanß © dpa
Kornblumenblaue Idylle zu Füßen der Königshainer Berge. Das FFH-Gebiet ist umgeben von Feldern. Die Traubeneichen-Buchenwälder gehören mit zu den Besonderheiten des kleinen Gebirges. Foto: Constanze Junghanß
Kornblumenblaue Idylle zu Füßen der Königshainer Berge. Das FFH-Gebiet ist umgeben von Feldern. Die Traubeneichen-Buchenwälder gehören mit zu den Besonderheiten des kleinen Gebirges. Foto: Constanze Junghanß

Flora-Fauna-Habitat: Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich Gebiete zum Schutz von Pflanzen, Tieren und deren Lebensräumen, die europaweit ausgewiesen und Teil des Natura2000 Netzwerkes sind.

Die Geschichte der FFH-Gebiete in Deutschland begann mit Schwierigkeiten. Die Bundesrepublik schrammte wegen dieser Flora-Fauna-Habitate knapp an einem Zwangsgeld vorbei. Dafür gab es nicht nur einen erhobenen Zeigefinger von der Europäischen Union. Die Brüsseler Auflage drohte, weil die BRD bis 1995 keine Territorien als solche besonderen Natur- und Umweltschutzflächen ausgewiesen hatte. Obwohl Deutschland nun handelte und der EU Gebiete vorlegte, zeigte sich Brüssel damit noch nicht zufrieden. Der Hick-Hack um den Naturschutz ging weiter, die EU-Kommission verklagte die BRD vor dem Europäischen Gerichtshof, Deutschland wurde verurteilt. Ein Nachmeldeprozess startete, und erst 2006 stellte die EU das Zwangsgeldverfahren ein. Mittlerweile sind in Deutschland 5 557 FFH-Gebiete gelistet – mehr als drei Millionen Hektar Fläche auf dem Land und über zwei Millionen Hektar Wasserfläche. 270 solcher Gebiete gibt es sachsenweit. Im Landkreis Görlitz sind das zum Beispiel die Fließgewässer in Schöpstal und Kodersdorf, die Laubwälder der Königshainer Berge mit ihren Traubeneichen-Buchenwäldern oder die Ullersdorfer Teiche, die Lebensraum für Schlammpeitzger – eine Fischart – und die Rotbauchunke sind. Nicht zu verwechseln sind FFH- mit Naturschutzgebieten. Letztere gibt es teilweise schon viel länger. So ist das Naturschutzgebiet Rotstein bereits 1912 als ein solches eingestuft worden. Während Naturschutzgebiete dem nationalen Recht unterliegen und auch einzelne gefährdete Tier- und Pflanzenarten umfassen können, gelten FFH-Gebiete als europaweit bedeutsam und haben einen EU-Schutzstatus. Sie müssen gleichzeitig durch nationales Recht geschützt werden. Oft sind FFH-Gebiete deshalb gleichzeitig Naturschutzgebiete. Beim Rotstein beispielsweise trifft das auf die Basalt- und Phonilitkuppen der östlichen Oberlausitz zu.

Arbeit gibt es für den Landschaftspflegeverband Oberlausitz reichlich. Seit Mai läuft auch ein Biberprojekt zum Erfassen der Bestände. „Der Biber ist im FFH-Gebiet heimisch“, sagt Kay Sbrzesny. Etwa 50 Reviere gibt es landkreisweit und damit um die 200 Tiere. Auch der Dunkle und Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling stehen unter Schutz. Die Schmetterlingsarten sind deshalb selten geworden, weil deren Wirtspflanze – der Große Wiesenknopf – immer weniger anzutreffen ist. Bei Ludwigsdorf, Kleinneundorf und Deschka plant deshalb der LPV, Flächen gezielt mit den Wiesenknopf zu besäen, um die Bestände weiter zu stärken.

Kompromisse mit den Menschen

Nichtsdestotrotz sei es nicht immer einfach, den Spagat zwischen Naturschutzanliegen und menschlicher Nutzung hinzubekommen. Beim Biber beispielsweise sind das die Staudämme, die er baut und wodurch es zu Überschwemmungen auch im bewohnten Gebiet kommen kann. Bei den Sandbänken der Neiße gebe es Konfliktpotenzial durch die Nutzung von Badegästen und Schlauchboottouristen. Selbst Lagerfeuer seien schon gemacht worden. Für die Flussuferwolfsspinne sei das wenig ideal. „Da können wir nur an die Vernunft der Leute appellieren“, so Kay Sbrzesny. Ein anderes Beispiel sei der Hochwasserschutz, der wichtig für den Menschen, aber ungünstig für den Naturschutz sei. „Die Uferbefestigungen sind da das Problem“, so der LPV-Mitarbeiter.

Deshalb sei immer abzuwägen, wie in der hiesigen Kulturlandschaft Schutzmaßnahmen umgesetzt werden können, um möglichst allen Seiten gerecht zu werden. Kein einfaches Unterfangen. Denn gefährdet können solche Gebiete auch durch ganz andere Aspekte sein, die mit der Nutzung durch den Menschen unter einen Hut gebracht werden sollen. So heißt es zum Beispiel auf der von Biologen erstellten Internetseite „Deutschlands Natur“, dass die Fließgewässer Schöpstal und Kodersdorf durch die teilweise land- und forstwirtschaftliche Nutzung gefährdet seien. In den Königshainer Laubwäldern wird ebenfalls die forstwirtschaftliche Nutzung, aber auch der Tourismus, als eine teilweise Gefährdung für das FFH-Gebiet eingestuft.