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Sparen auf Kosten der Trauernden

Seitdem ein Privater Bischofswerdas Neuen Friedhof pflegt, gibt es Beschwerden. Bestatter weisen seit langem darauf hin.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Ein Unternehmen mit offiziellem Sitz in Franken und Wurzeln in Sachsen-Anhalt ist seit Juli vergangenen Jahres für die Pflege und Unterhaltung des städtischen Friedhofs am Schmöllner Weg in Bischofswerda zuständig. Seitdem lässt nicht nur das äußere Bild der Anlage zu wünschen übrig. Auch bei Bestattungen kam es wiederholt zu Problemen, sagte Marco Klöber, Inhaber des Bestattungshauses Schuster-Griete. Der Unternehmer reagierte auf unseren Artikel „Preiskampf auf dem Friedhof“ vom Mittwoch. Beide Bischofswerdaer Bestattungsunternehmen wiesen die Stadtverwaltung seit Sommer vergangenen Jahres immer wieder auf Missstände hin – in Gesprächen, aber auch schriftlich.

So sei die Trauerfeierhalle wiederholt nicht sauber gewesen, berichtet Marco Klöber. Am 12. August vergangenen Jahres beispielsweise musste er selbst zum Besen greifen. Als er im September die Halle für eine Trauerfeier schmücken wollte, lagen dort noch Blätter des Blumenschmucks von der Vorwoche auf dem Fußboden. Es wäre Aufgabe des von der Stadt beauftragten Unternehmens gewesen, die Halle nach der Feier zu reinigen. – Etwa anderthalb Stunden vor einer Trauerfeier beginnt Marco Klöber, die Halle zu schmücken. Doch die Bestatter haben keinen Schlüssel für den Raum für die Abschiedsfeier. Sie sind da auf die mit der Friedhofspflege betraute Firma angewiesen. Doch auch dessen Chef traf an jenem Tag erst anderthalb Stunden vor der Trauerfeier aus Dessau in Bischofswerda ein. Lapidare Begründung des Firmenchefs, nachdem sich der Bestatter bei der Stadt beschwert hatte: Auf der Autobahn habe es Stau gegeben...

Der Gipfel der Pietätlosigkeit

Gipfel der Pietätlosigkeit dürfte ein Vorfall vom März dieses Jahres sein: Eine stille Abschiednahme musste zehn Minuten später beginnen, weil das Urnengrab noch nicht ausgehoben war. Marco Klöber beschwerte sich daraufhin direkt bei Oberbürgermeister Holm Große (parteilos) und bat ihn, als Wiedergutmachung den Angehörigen die Beisetzungsgebühr oder wenigstens einen Teil davon zu erlassen. Bisher – Stand vom 8. Juni – gab es seitens der Stadt weder eine Entschädigung noch eine Entschuldigung gegenüber der Familie, berichtet der Bestattungsunternehmer.

In der Vergangenheit hatte die Stadt Bischofswerda eigenes Friedhofspersonal. Vor allem unter dem langjährigen Friedhofsmeister Heinz Papajewski zählte die Anlage am Rande der Stadt zu einer der gepflegtsten in der Region. In der Absicht zu sparen, übertrug die Stadt im vergangenen Jahr die Friedhofspflege und -unterhaltung einem Privatunternehmen, welches sich zwar „Allround Dienstleistungsservice“ nennt, aber offenbar wenig serviceorientiert daherkommt. Es macht zum Beispiel keinen guten Eindruck, wenn eine Bestattung stattfindet und der Friedhofsarbeiter wenige Meter von der Trauergesellschaft entfernt in Jogginghose, ohne Socken und in Schuhen hantiert, die Zeugen als Hausschuhe beschreiben. Auch der Sinn für scheinbare Kleinigkeiten, die in Wahrheit keine sind, scheint zu fehlen. Marco Klöber zeigt ein Foto von einem Urnengrab kurz vor der Bestattung. Das Unkraut unmittelbar daneben blieb stehen.

Andere Angebote waren realistischer

Mit rund 42.000 Euro hatte „Allround“ die Ausschreibung im vergangenen Jahr gewonnen. „Mit diesem Geld kann man einen Friedhof dieser Größe nicht unterhalten. Das hätte auch dem Stadtrat klar sein müssen“, sagt Marco Klöber. Der Zweitplatzierte der Ausschreibung – eine Gärtnerei aus Bischofswerda und nicht wie am Mittwoch versehentlich geschrieben ein Unternehmen aus dem Umland – hatte da mit rund 90.000 Euro offenbar ein wesentlich realistischeres Angebot eingereicht.

In puncto Pflege und Service ist der Neue Friedhof mittlerweile Schlusslicht im Landkreis Bautzen, sagt Marco Klöber, dessen Bestattungshaus in der gesamten Region tätig ist. Man schäme sich auch als Bestatter für einen so ungepflegten Friedhof. Ein Urteil, das Besucher bestätigen. „Friedhöfe sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und ein Aushängeschild für eine Kommune“, sagt der Bestatter.

Der Pflegevertrag der Stadt mit dem Unternehmen endet zum 30. Juni. Für die Zeit danach kündigt die Stadtverwaltung eine „Übergangslösung“ an. Auch er sei gespannt, wie diese aussehen wird, sagt Marco Klöber. Und er fügt hinzu: Er wurde sich wünschen, dass die Stadt den Dialog mit den beiden hier ansässigen Bestattungsunternehmen sucht. Fast ein Jahr lang müssen auch sie die Folgen einer verfehlten Privatisierung tragen. Doch es geht nicht um uns, betont Marco Klöber. „Wir handeln im Interesse unserer Kunden.“