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Sohn wegen Totschlags an Vater vor Gericht

Das Geld reichte nicht für einen Platz im Pflegeheim, daher nahm ein Leipziger seinen demenzkranken Vater bei sich auf. Nun ist der alte Mann tot und der 39-Jährige steht vor Gericht.

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© dpa

Leipzig. Weil er seinen demenzkranken Vater mit einem Kantholz erschlagen haben soll, steht ein 39-Jähriger wegen Totschlags vor Gericht. Der Angeklagte sei mit der Pflege des 72-Jährigen bei sich zu Hause überfordert gewesen, sagte Staatsanwältin Katrin Minkus am Mittwoch beim Prozessauftakt am Leipziger Landgericht. Für einen Platz im Pflegeheim habe das Geld nicht gereicht.

Am Abend des 28. März sei der Beschuldigte wütend auf seinen Vater geworden und habe mit dem Kantholz auf Kopf und Oberkörper des auf dem Sofa liegenden alten Mannes geschlagen. „Der mögliche Tod seines Vaters war ihm in dem Moment egal“, sagte Minkus.

Der 72-Jährige erlitt stark blutende Wunden, eine Hirnprellung und ein Hirnödem. Der Angeklagte überließ den Verletzten laut Anklage sich selbst. Eineinhalb Tage später starb der Vater schließlich an einer Lungenembolie - am frühen Morgen des 30. März. Erst im Februar hatte der 39-Jährige seinen an Demenz, Alzheimer und Diabetes erkrankten Vater zur Pflege bei sich aufgenommen.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der Mann seinen Vater schon vor den tödlichen Attacken mehrfach mit dem rund 90 Zentimeter langen Kantholz malträtiert und ihm Blutergüsse zugefügt. Deswegen ist der 39-Jährige auch wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerer Misshandlung eines Schutzbefohlenen angeklagt. Zudem kümmerte er sich laut Staatsanwaltschaft immer weniger um den Senior. So habe er nach einigen Wochen aufgehört, dessen Blutzuckerspiegel zu messen.

Der Angeklagte habe in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt und bald festgestellt, dass ihn die Pflege seines Vaters überforderte. So machte es ihn beispielsweise wütend, wenn der alte Mann nicht auf Fragen antwortete. Beim Prozessauftakt verbarg der Mann sein Gesicht hinter einer Zeitung - seine Hände zitterten stark.

Nach Angaben des Sächsischen Sozialministeriums gab es zuletzt rund 68 000 Pflegegeldempfänger in Sachsen. Das sind Pflegebedürftige, die nicht durch ambulante Pflegedienste betreut werden, sondern von Verwandten, Nachbarn oder Ehrenamtlichen. Zahlen zu Gewaltvorfällen gebe es nicht, teilte eine Sprecherin mit.

Pflegende Angehörige berichteten in Selbsthilfegruppen immer wieder davon, wie sie Demenzkranken gegenüber Aggressionen entwickelten und sie beispielsweise anbrüllten, sagte Eva Helms, Vorsitzende der Landesinitiative Demenz. Hinterher tue es den Menschen leid. „Viele Angehörige kommen durch die Pflege an ihre Grenzen“, sagte Helms.

Die Pflege von Demenzkranken sei besonders belastend. Manche Angehörige hätten das Gefühl, 24 Stunden am Tag aufpassen zu müssen, damit der Kranke nicht in Gefahr gerät - etwa weil er den Herd anschaltet oder ohne Jacke das Haus verlässt. „Da sind die Angehörigen immer ein bisschen unter Strom.“ Außerdem sei es eine enorme Belastung, wenn die alten Menschen immer wieder dieselbe Frage stellten oder immer wieder dieselbe Geschichte erzählten.

Sie wünsche sich von Hausärzten, dass sie pflegenden Angehörigen schnell Selbsthilfegruppen vermitteln. Betroffene sollten „so früh wie möglich“ Beratung in Anspruch nehmen. Hilfe gebe es bei den Sozialämtern der Kommunen, bei den Pflegekassen, bei Wohlfahrtsverbänden und regionale Alzheimergesellschaften.

Für den Prozess gegen den 39-Jährigen sind bis Dezember noch sechs Termine angesetzt. Der Angeklagte will sich nach Angaben seiner Verteidigerin am 18. Oktober zu den Vorwürfen äußern. (dpa)