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Schwänzen für die Urlaubskasse

Jeder sechste Ostdeutsche ist schon mal zu zeitig in die Ferien gestartet. Plant nun auch Sachsen Polizeikontrollen?

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© 123 RF

Von Susanne Plecher

Ein paar Tage vor dem offiziellen Ferienbeginn in den Urlaub starten, sich nicht in den Stau stellen, günstigere Preise für Flüge oder Hotelzimmer ergattern – welche Eltern haben darüber nicht schon einmal nachgedacht? Vor allem, weil sich viel Geld sparen lässt. Beispiel Hurghada, Ägypten. Eine vierköpfige Familie bezahlt für elf Tage Urlaub im 4-Sterne-Hotel all-inclusive ab Montag, dem 2. Juli, 2 624 Euro*. Reist sie fünf Tage früher an, werden nur 1 576 Euro fällig. Die Familie spart 1 048 Euro und hat mehr für die Urlaubskasse. Verlockend, oder? Nur leider nicht erlaubt, sofern die Kinder schulpflichtig sind.

Denn das günstigere Angebot gilt ab Mittwoch, dem vorvorletzten Schultag vor Beginn der sächsischen Sommerferien. Und da müssen Schüler nun einmal in der Schule sein, wie Roman Schulz vom zuständigen Landesamt für Schule und Bildung in Chemnitz sagt: „Wir haben Schule bis zu den Ferien. Das regelt die Schulbesuchsverordnung. Die hohen Preise sind ein Ärgernis, aber nicht unser Problem.“ Wer schulpflichtige Kinder hat, grämt sich jedes Jahr aufs Neue darüber. Aber die Mehrheit hält sich an die Regeln. Jeder sechste Ostdeutsche zieht andere Schlüsse, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage zur Sommerreisezeit 2018 zeigt. Deutschlandweit ist es jeder Zehnte. Das Meinungsforschungsinstitut hat dafür 1 510 Autofahrer interviewt. 17 Prozent der in Ostdeutschland befragten Personen haben ihre Kinder schon einmal einen Tag früher für Urlaub aus der Schule genommen. Manche scheuen dafür auch vor fingierten Krankmeldungen nicht zurück. Wer das macht, „ohne dass eine Genehmigung der Schulleitung vorliegt, riskiert Ärger“, sagt Jurist Frank Bärnhof.

Formell handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit. Kommt die Lüge ans Licht, kann die Schule das Fehlverhalten schulintern sanktionieren, etwa mit Ermahnungen oder Einträgen ins Klassenbuch. Sie hat aber auch die Möglichkeit, den Fall dem Ordnungsamt zu übergeben. Dann könne ein Bußgeld bis zu 1 250 Euro fällig werden, sagt Dirk Reelfs vom Kultusministerium. „Wie die Schule reagiert, ist vom Einzelfall abhängig, Blaupausen gibt es nicht“, so Landesamtsprecher Schulz.

Generell ist eine Freistellung vom Unterricht möglich. Klassenlehrer oder Schulleiter können bei rechtzeitiger Beantragung in besonderen Ausnahmefällen das Kind bis zu drei Tage beurlauben. Das regelt die Schulbesuchsordnung. Solche Ausnahmen sind neben familiären Anlässen wie runden Geburtstagen, Hochzeiten oder Todesfällen auch die Teilnahme an wissenschaftlichen oder künstlerischen Wettbewerben und sportlichen Wettkämpfen. „Eine Urlaubsreise ist kein Grund“, sagt Schulz. Wer ohne Genehmigung trotzdem verreist, missachtet die gesetzliche Schulpflicht. Das könne nicht hingenommen werden, sagte Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes im Mai. Da hatte die bayerische Polizei für Aufsehen gesorgt, weil sie vor Beginn der Pfingstferien auf zwei regionalen Flughäfen gezielt nach Eltern mit schulschwänzenden Kindern suchte – und 20 Familien erwischte. Anzeigen beim Ordnungsamt folgten. Meidinger sprach von einem „notwendigen Schuss vor den Bug der Eltern“.

In Sachsen seien solche Aktionen nicht denkbar, wie Dirk Reelfs vom Kultusministerium sagt. Weder an Flughäfen noch an Autobahnen oder Bahnhöfen. „Derartige Kontrollen fanden in der Vergangenheit nicht statt und sind auch zukünftig nicht geplant“, bestätigt Mario Laske von der Polizeidirektion Dresden, die auch für Streifen auf dem Flughafen zuständig ist. Sein Kollege Andreas Loepki von der Polizeidirektion in Leipzig sagt: „Wir werden schon aus Kapazitätsgründen nicht aus eigener Initiative aktiv, sondern agieren allein in Amtshilfe.“ Um die müsste in begründeten Fällen das zuständige Ordnungsamt bitten. Ausnahmen wären nur vorstellbar, wenn Streifenpolizisten zufällig auf ein augenscheinlich schulpflichtiges Kind stießen. Dann würden sie dessen Abwesenheit von der Schule hinterfragen. „Wir suchen aber nicht gezielt danach“, so Loepki.

Ist Schwänzen für die Urlaubskasse in Sachsen also ungesühnt möglich? Wenn die Schule den Delinquenten nicht auf die Schliche kommt, wohl schon. Roman Schulz: „Wir wollen kein Klima des Misstrauens und als Staat nicht per se davon ausgehen, dass ein Betrugsfall vorliegt. Einzelfälle wird es immer geben, das wissen wir. Aber wegen weniger schwarzer Schafe können wir nicht die gesamte Elternschaft unter Generalverdacht stellen.“

*Angebote gefunden bei ab-in-den-urlaub.de am 19. Juni 2018 für das Pickalbatros Sea World Resort, Hurghada.