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„Sächsische Restaurants sollten mehr Sachsenwein anbieten“

Bernd Kastler war mal Manager in der Pharmaindustrie. Dann kaufte er sich ein berühmtes Haus in Radebeul – und wurde Winzer.

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© kairospress

Von seinem Grundstück überblickt Bernd Kastler seinen Weinberg. Radebeul und das Elbland liegen ihm zu Füßen. Sein Haus mit tollem Ausblick hat mal Carl Pfeiffer gehört, einer Weinbaulegende in Radebeul. Seinen Job hat der 68-Jährige längst aufgegeben und widmet sich heute voll dem Weinbau. Gemeinsam mit Enrico Friedland, ebenfalls aus Radebeul, betreibt er das Weingut KastlerFriedland.

Herr Kastler, Sie haben 2002 ein berühmtes Winzerhaus erworben. Stand im Kaufvertrag, dass Sie dann auch Winzer werden müssen?

Nein. Winzer wurde ich gern, weil das für mich schon damals ein schöner Ausgleich zum beruflichen Leben war. In den Jahren danach wurde diese Tätigkeit für mich dann immer wichtiger.

Was war das für einer, dieser Pfeiffer, in dessen Haus Sie heute leben?

Carl Pfeiffer war einer der Weinbaupioniere nach der Reblaus-Katastrophe, die auch zur Krise des Weinbaus im Elbland wurde, weil es in der Zeit der Industrialisierung für viele Winzer lukrativer war, in andere Berufe zu wechseln oder Weinbau-Grundstücke für den Villenbau zu verkaufen. Nachdem der Weinbau hier fast untergegangen war, kam der Niederschlesier Pfeiffer nach Jahren der Ausbildung und Arbeit in Rheinhessen ins Elbtal und sorgte mit vielen Innovationen für einen neuen Aufschwung. Er führte Rebsorten wie Müller-Thurgau ein, die berühmte Sachsenkeule und vieles mehr. Er war Mitinitiator der Vorgängerin der heutigen Winzergenossenschaft. Als er den Beruf aufgab, rebte er den Weinberg auf, den ich jetzt bewirtschafte. Er wohnte einige Jahre hier im Haus.

Haben Sie Spuren von ihm entdeckt?

Leider nein. Pfeiffer ist bereits 1956 gestorben, er liegt auf dem Johannis-Friedhof in Radebeul. Wenn die Bäume keine Blätter tragen, kann er hinaufschauen auf seinen Weinberg.

Sie sind einst als Manager in der Pharmaindustrie nach Radebeul gekommen. Haben Sie den Wein als bessere Medizin entdeckt?

Och, das kann man durchaus sagen, der Wein enthält ja so viele wertvolle Dinge. Außerdem gibt es den schönen Spruch auf einer Karaffe, die meine Frau mit in die Ehe gebracht hat: „Der Wein weiß viele Dinge abzufragen, dem Wasser würdest du’s nicht sagen.“

Wie haben Sie das Winzerhandwerk gelernt?

Ich habe mich zunächst mit den Arbeiten im Weinberg befasst, dazu viele Leute befragt hier in Radebeul und rund um Mainz, wo ich lange gewohnt habe. Aus den vielen Antworten zog ich einen Mittelwert. Die Trauben wollten wir nicht weggeben, sondern eigenen Wein machen. Also haben meine Frau und ich im Tal noch ein altes Haus von 1827 gekauft mit einem wundervollen Tonnengewölbe. Dort stellen wir unseren Wein her, und dort ist das Restaurant „Charlotte“, das wir verpachten.

Das Weinmachen haben Sie sich auch selbst beigebracht?

Ja, ich wollte mal wieder was Neues ausprobieren, das habe ich im Leben immer wieder getan. Ich habe einiges gelesen, Leute befragt und angefangen. Wichtig ist, dass die positiven die unausweichlich eintretenden negativen Erlebnisse überwiegen.

Und warum haben Sie sich mit Enrico Friedland zusammengetan?

Wir kannten uns vom Weinbauverband und hatten festgestellt, dass wir beide kleine Betriebe haben mit jeweils etwa einem Hektar. Wir wollten zusammengehen, um die Arbeiten in geeigneter Weise aufzuteilen und effektiver zu wirtschaften, aber auch um zu wachsen. Besonders wichtig war, dass wir eine gemeinsame Vorstellung darüber haben, was ein guter Wein ist.

Wie haben Sie die Arbeiten aufgeteilt?

Seine Weinberge macht jeder selbst, den Wein stellen wir gemeinsam her. Wir verkosten gemeinsam und beraten, was zu tun ist – und tun es auch. Da gibt’s mal schöne, mal weniger schöne Erlebnisse.

Ihre Weinkollektion ist deutlich umfangreicher geworden.

Das ist so. Unsere Sortimente hatten sich nur zu kleineren Teilen überschnitten, sodass wir heute acht bis zehn Weine anbieten können. Vielleicht ist das sogar schon ein wenig zu viel.

Vor einigen Jahren waren Ihre Weine noch unauffällig. Vor zwei Jahren hat Ihnen der Weinführer Gault Millau die erste Traube verliehen. Wie ist diese Qualitätsverbesserung gelungen?

Das kann ich selbst schlecht beantworten, unsere Weine schmeckten uns eigentlich schon immer. Aber sicher sprechen die Kunden das entscheidende Wort. Auf jeden Fall haben wir an Erfahrung gewonnen und gemeinsam in Technik investiert, um guten Wein herzustellen.

Ihre Weine haben auffällige Etiketten mit Tieren. Was hat es damit auf sich?

Zunächst wählten wir auffällige Farben: Weiß, Blau und Rot. Es sind die Radebeuler Farben, die man in kolorierten Lithografien des Winzerzugs findet. Die einfachen Winzer tragen dort blaue Hosen, weiße Hemden mit roten Hosenträgern oder Halstüchern. Auf unseren weißen Etiketten sind in den Farben Blau und Rot Tiere abgebildet, die als Essen zum jeweiligen Wein passen. So ist zum Beispiel beim Müller-Thurgau der Hahn auf dem Etikett, weil Geflügel gut zu diesem Wein passt. Ganz durchgehalten haben wir das allerdings nicht. Für den Traminer steht ein Schmetterling, der in Mitteleuropa eher nicht verspeist wird, der aber für die Anmut dieses in Sachsen sehr geschätzten Weins steht.

Sie haben es mal mit Halbliterflaschen versucht. Mit welchem Ergebnis?

2013 und 2014 haben wir das versucht, aber das Experiment wieder aufgegeben. Vielen Weintrinkern hat es zwar gefallen, aber die Flaschen sind in der Herstellung zu teuer und für die Gastronomie eher ungeeignet.

Sie verpachten das Restaurant „Charlotte“, das in Radebeul und Umgebung bekannt ist für gute Küche. Aber die Betreiberin musste aufgeben, jetzt gibt es einen neuen Pächter. Winzer und Gastronomie – hat das noch Zukunft?

Das glaube ich schon, der meiste Wein wird sicherlich zum Essen getrunken. Allerdings ist Gastronomie nicht einfacher geworden. Es gibt mehr Schließungen, finanzielle Schwierigkeiten, Personalprobleme. Viele wollen nicht mehr nur abends und am Wochenende arbeiten.

Was haben Sie in der Zukunft vor?

Wir sind in den letzten Jahren gewachsen, jetzt müssen wir konsolidieren. Erst dann werden wir über nächste Schritte nachdenken. Wir wollen auf jeden Fall immer zufriedene Kunden und uns hier und da noch verbessern.

Sie waren mal der Chef des Sächsischen Weinbauverbandes. Zuletzt gab es da häufige Wechsel. Was erwarten Sie von der neuen Führung? Was sollte sie besonders energisch anpacken?

Zwei Dinge. Nach innen sollte eine gewisse Harmonisierung der Gedanken der Winzer herbeigeführt werden. Es schadet nur, wenn man übereinander und nicht miteinander spricht. Noch wichtiger ist, das Bild nach außen zu verbessern, den sächsischen Wein bekannter zu machen. Klar, wir sind und bleiben ein kleines Weinbaugebiet, wir dürfen da überregional keine Wunderdinge erwarten. Aber aus Winzersicht ist es schon wünschenswert, dass die Restaurants in Leipzig oder auch in Dresden den einen oder anderen sächsischen Wein mehr auf der Karte haben.

Das Gespräch führte Olaf Kittel.