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Razzia bei Reichsbürger

Ein Dreiseithof beim Riesa wird umstellt, weil ein Reichsbürger seine Steuern nicht bezahlt hat. Es ging auch um Nazi-Symbole an ungewöhnlicher Stelle.

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Peritz. Aufregung in Peritz: Mehr als ein halbes Dutzend Polizeifahrzeuge ist am Dienstagmorgen in dem Wülknitzer Dorf angerückt. Ihr Ziel: ein alter Dreiseithof zwischen Görziger Straße und Koselitzer Weg. Rund 30 Beamte sind im Einsatz, gleich drei Polizeibusse versperren die Ausfahrt. Worum es geht? Kopfschütteln, ein Polizist verweist direkt an die Kollegen in Dresden. Währenddessen läuft auch ein Mann in Zivil zwischen den Autos herum, unter dem Arm eine braune Aktentasche.

Der hier wohnende Reichsbürger soll keine Steuern bezahlt haben.
Der hier wohnende Reichsbürger soll keine Steuern bezahlt haben. © Jörg Richter
Auf dem Grundstück zeigen Luftbilder des Dienstes Google Maps in den Rasen gemähte Hakenkreuze (rote Markierungen).
Auf dem Grundstück zeigen Luftbilder des Dienstes Google Maps in den Rasen gemähte Hakenkreuze (rote Markierungen). © Google

Die Polizeidirektion Dresden erklärt wenig später auf Anfrage, man habe das Finanzamt unterstützt. Bei dem Besitzer soll es sich um einen Reichsbürger handeln, der seine Steuern nicht bezahlt hat. Ein Indiz dafür, dass er zur Szene gehört, ist auf Luftbildern des Grundstücks bei Google Maps zu sehen. Dort sind zwei Hakenkreuze im Hof und hinter den Gebäuden zu sehen. Sie wurden offenbar in den Rasen gemäht. Die Aufnahme stammt aus einem der vergangenen Sommer. Nach SZ-Informationen sind die Hakenkreuze mittlerweile wieder verschwunden. Dafür finden die Beamten bei der Durchsuchung des Grundstückes mehrere Päckchen mit scharfer Munition. Danach habe man die Suche auch nach Waffen ausgeweitet, erklärt ein Sprecher am Nachmittag. Gefunden worden sei aber lediglich ein Gasdruckrevolver.

Der Besitzer des Dreiseithofs hege krude Ansichten, so viel sei im Dorf bekannt gewesen, erzählt ein Anwohner. Davon abgesehen seien er und seine Frau aber bisher nie sonderlich aufgefallen. Beide leben zusammen auf dem Gehöft und bewirtschaften es auch, halten dort beispielsweise Tiere, so der Peritzer. Probleme mit den Nachbarn seien nicht bekannt. Der Grundstücksbesitzer selbst war für die SZ am Dienstag nicht zu erreichen.

Beim Finanzamt Meißen möchte man sich mit Blick auf das Steuergeheimnis nicht zum Einsatz in Peritz äußern. Grundsätzlich habe man aber immer wieder mit sogenannten Reichsbürgern zu tun. „So wie alle anderen Finanzämter“, sagt eine Sprecherin. Teils würden Angehörige der Szene überhaupt keine Steuererklärungen abgeben, teils die Maßnahmen des Finanzamts nicht anerkennen. Dazu kommen krude Briefe – oder auch die Versuche, einzelne Mitarbeiter des Meißner Finanzamts mit obskuren finanziellen Gegenforderungen mit Hilfe eines „US-Registers“ zu überziehen. „Wir haben da lange Schreiben mit unglaublichen Forderungen bekommen“, so die Mitarbeiterin.

Eine andere Masche gab es in Döbeln: Da stand 2014 eine 31-Jährige vor Gericht, die vom Finanzamt wegen Bedrohung und Nötigung angezeigt worden war: Sie hatte ein Schreiben an den Chef des Finanzamtes geschickt. In dem forderte sie „geraubtes“ Geld für Einkommens-, Umsatz- und Kfz-Steuer für den Zeitraum von 1945 bis heute zurück. Sie drohte, den „alliierten Behörden“ Bescheid zu geben, wenn sie das Geld nicht bekommen würde. Diese sollten für den Chef des Finanzamtes einen internationalen Haftbefehl ausstellen. Am Ende musste die Frau 450 Euro Geldstrafe zahlen. Zur Verhandlung war sie gar nicht erst erschienen. Im Vogtland hatte zuletzt ein Reichsbürger einen Brief mit Kot ans Finanzamt geschickt. Während das in die Kategorie „Geschmacklosigkeit“ fällt, nehmen die Behörden Drohungen aus der Szene mittlerweile ernst. Wenn das Finanzamt um Amtshilfe bittet, werde dem im Regelfall auch entsprochen, so die Polizei. Die Gefahr ist real: 2016 hatten sich zwei schwere Straftaten im Zusammenhang mit Reichsbürgern ereignet: Erst schoss ein Anhänger der Szene in Sachsen-Anhalt auf einen Polizisten und verletzte ihn leicht. Im Herbst wurde ein Polizist in Franken von einem Reichsbürger erschossen.

Für die Reichsbürger besteht das Deutsche Reich bis heute fort. Oft legen sie dabei die Grenzen von 1937 zugrunde. Dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten sprechen sie die Legitimität ab, amtliche Bescheide erkennen sie nicht an. Auch Steuern und staatliche Abgaben sind aus ihrer Sicht illegal. Etliche Akteure sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Szene aktiv. Laut Sachsens neuem Innenminister Roland Wöller (CDU) sei die Anzahl und damit das Gefährdungspotenzial der Reichsbürger zuletzt landesweit gestiegen.