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Prozess im Umfeld der „Sachsensumpf“-Affäre vertagt

Mandy K. zeigt keine Angst mehr. Als Minderjährige wurde sie zur Prostitution im Leipziger Kinderbordell „Jasmin“ gezwungen. Knapp 20 Jahre später sitzt sie wegen Verleumdung auf der Anklagebank - sie will hochrangige Juristen als Freier erkannt haben.

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Von Jörg Schurig

Dresden. In der vermeintlichen Korruptionsaffäre „Sachsensumpf“ hat das Amtsgericht Dresden am Dienstag ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Das Verfahren wurde aber schon nach anderthalb Stunden vertagt, Gründe wurden nicht genannt. Erst von Oktober an soll nun geklärt werden, ob zwei frühere Zwangsprostituierte Verleumdung begingen, als sie hochrangige Leipziger Juristen auf Fotos als Freier identifiziert haben wollen. Die Männer bestreiten das.

Beide Frauen sind heute 35 Jahre alt, eine von ihnen geht mittlerweile an die Öffentlichkeit. Sie wolle andere Opfer zu Aussagen ermutigen, sagte Mandy K. am Dienstag am Rande des Prozesses. Zum Auftakt wurde erst einmal hinter verschlossenen Türen verhandelt - bei einem Rechtsgespräch zwischen Anwälten, Richter und Staatsanwalt.

Mädchen mussten 1.000 Mark pro Woche verdienen

Grundlegende Aussagen hatte K. schon 2009 im „Sachsensumpf“-Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages gemacht. Demnach war sie 1992/1993 gemeinsam mit mehreren Mädchen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren zur Prostitution gezwungen worden. Sie berichtete von Schlägen, Vergewaltigungen und massiven Drohungen. Die Mädchen hätten pro Woche 1.000 Mark verdienen müssen. Andernfalls wäre ihnen der ausstehende Betrag als Schuld angeschrieben worden.

Die Polizei hatte das „Jasmin“ Ende Januar 1993 gestürmt und die Mädchen befreit. Der Zuhälter wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. „Niemand, auch nicht die Polizei, schien sich für die Leute zu interessieren, die als Kunden ins “Jasmin“ kamen“, erklärte die junge Frau damals.

„Ich empfinde es als unverschämt, und es tut mir in der Seele weh, als Prostituierte bezeichnet zu werden“, sagte Mandy K.. Soeben hatte Staatsanwalt Christian Kohle die Anklage verlesen, und tatsächlich taucht das Wort Prostituierte auf - als könnte eine 13- oder 16-Jährige einem solchen Handeln selbstbestimmt nachgehen. Da mutet für so manchen Prozessbeobachter die Lesart der Staatsanwaltschaft Dresden lebensfremd an.

K. sieht sich nicht als Täterin, sondern als Opfer. Sie bezieht ausdrücklich die anderen Mädchen aus dem „Jasmin“ mit ein - auch die gleichaltrige „Trixi“, die auf anwaltlichen Rat nur unter ihrem früheren Spitznamen in der Öffentlichkeit erscheinen will. Vielleicht hätten die beiden Frauen eine Art innerer Ruhe gefunden, wenn nicht 2007 der „Sachsensumpf“ für Schlagzeilen gesorgt hätte.

Netzwerk der Organisierten Kriminalität im Freistaat

Damals tauchten in den Medien Berichte auf, wonach Dokumente der Verfassungsschützer Hinweise auf ein Netzwerk der Organisierten Kriminalität im Freistaat enthielten. Darin sollten Politiker, Juristen und Polizisten verstrickt sein. Staatsanwälte aus Dresden ermittelten, konnten aber keine Belege finden. Die Regierung bestellte externe Gutachter, die vergleichsweise schnell zu einem Ergebnis kamen. Demnach waren die Akten des Geheimdienstes bewusst aufgebauscht worden. Aus der Korruptionsaffäre wurde eine Aktenaffäre. Allerdings tauchten auch an dieser Version Zweifel auf. Nach Meinung vieler wurde der Fall zu schnell zu den Akten gelegt.

Im Zuge der „Sachsensumpf“-Affäre wurden auch Mandy und Trixi erneut vernommen. „Man soll nichts weglassen und nichts hinzufügen. Das habe ich getan. Welche Folgen das hat, kann man nun sehen“, sagte K.. Bei der Vernehmungen im U-Ausschuss des Landtages gab sie 2009 an, von der Staatsanwaltschaft bedrängt worden zu sein. „Ich wurde in einer Art und Weise behandelt, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte“, äußerte sie sich damals als Zeugin.

Der Oberstaatsanwalt habe ihr gesagt, dass er sie „fertigmachen würde“, wenn er Richter wäre. Zudem sei sie immer wieder gedrängt worden, dass es sich bei den von ihr erkannten Leuten um eine Verwechslung handeln müsse. Sie habe kein Interesse an einer Aufklärung gespürt. Die Staatsanwaltschaft wies das zurück.

Ob die Vorwürfe im „Sachsensumpf“ jemals „ausgetrocknet“ werden können, steht in den Sternen. Vieles scheint verworren und widersprüchlich - selbst in den Aussagen zum Leipziger „Jasmin“. Dennoch möchte K.s Anwalt Christian Braun nur eines erreichen: die vollständige Rehabilitation seiner Mandantin. „Ich hoffe auf einen Freispruch“, sagte auch Mandy K. (dpa)