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Konkurrenz aus Prag

Während die sächsischen Flughäfen mit sinkenden Passagierzahlen kämpfen, boomt der Airport der tschechischen Hauptstadt. Nun will Prag auch noch ganz gezielt Sachsen anlocken.

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© dpa

Michael Heitmann und Christiane Raatz

Prag/Dresden. Immer mehr Deutsche fliegen über Prag in den Urlaub oder auf Geschäftsreise - darunter zahlreiche Sachsen. Im vorigen Jahr machten deutsche Fluggäste bereits vier Prozent aller Passagiere des Airports in der tschechischen Hauptstadt aus.

„Reisende aus Deutschland nutzen Prag als Start- oder Umsteigepunkt für Fernreisen nach Dubai, Moskau, Seoul oder Peking“, sagte die PR-Managerin des Vaclav-Havel-Flughafens, Marika Janouskova, der Deutschen Presse-Agentur. Mit 13 Millionen abgefertigten Passagieren feierte der Airport eine neue Rekordzahl. Das ist mehr, als die Tschechische Republik Einwohner hat.

Und es sind Zahlen, von denen man im benachbarten Sachsen nur träumen kann. Die Airports Leipzig/Halle und Dresden International zählten 2016 zusammen knapp 3,8 Millionen Fluggäste - 4,7 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Beide zählen zur Mitteldeutschen Flughafen AG, die zu gut 77 Prozent dem Freistaat gehört.

Der Sprecher der Flughafen AG, Uwe Schuhart, gibt allerdings zu bedenken, dass man Prag als Hauptstadtflughafen nicht mit einem Regionalairport wie Dresden vergleichen könne. Dieser habe für seine Größe ein sehr attraktives Angebot und sei etwa mit Lufthansa, Swiss oder KLM gut an internationale Drehkreuze angebunden, betonte Schuhart.

Die Einbrüche der Passagierzahlen an den sächsischen Airports führte Schuhart vor allem auf die angespannte Sicherheitslage in der Türkei und in Nordafrika sowie auf mehrere Streiks zurück. Der Start in das Jahr 2017 stimme optimistisch: Leipzig/Halle und Dresden verbuchten im Januar rund 211 000 Fluggäste und damit 5,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass die Passagierzahlen in Dresden seit 2011 zurückgehen. Auch Leipzig weist 2016 so wenig Passagiere wie lange nicht auf: 2007 etwa waren es noch mehr als 2,7 Millionen Fluggäste, im Vorjahr nur noch knapp 2,2 Millionen.

Zieht die kürzlich fertig gestellte Autobahn 17 Dresden-Prag weitere Gäste aus Sachsen ab? Zumindest erhofft sich der Prager Airport von der neuen Verbindung einen Schub. „Die Anfahrt aus Dresden hat sich damit deutlich unter zwei Stunden verkürzt - und ohne unnötige Staus“, so Janouskova. Zudem lockten billige Preise: Ihr Auto könnten die Reisenden acht Tage lang für umgerechnet 29 Euro stehenlassen - rund halb so viel wie in Deutschland.

Das sächsische Wirtschaftsministerium sieht seine beiden Flughäfen durch den Prager dagegen nicht in wirtschaftlicher Gefahr. Letztlich stünden eher die Fluggesellschaften und nicht die Betreiber von Flughäfen untereinander im Wettbewerb, erklärte die Behörde. Die Angebote in Dresden und Leipzig/Halle seien durchaus wettbewerbsfähig. Letzterer punkte zudem durch einen boomenden Frachtverkehr.

Den Hauptvorteil des Flughafens sieht man in Prag in den vielen Direktverbindungen in Richtung Osten und Fernasien. „Zum Beispiel bieten wir Direktflüge in acht russische Städte an, die von Berlin aus nicht direkt zu erreichen sind“, sagt Janouskova. Wer sich einmal in Peking, Schanghai oder gar in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, umschauen will, der muss dafür nicht umsteigen. Über weitere Ziele wird verhandelt. Selbst der Niedrigpreisanbieter Ryanair mischt inzwischen in Prag mit. Seit dem Winter bedient Rynair von Prag aus neben Dublin, Brüssel und London auch Rom und Bergamo.

Um das Wachstum fortzusetzen, will der Prager Flughafen im Territorium der kleineren ostdeutschen Konkurrenten wildern. „Wir bereiten jetzt eine Kampagne vor, in deren Rahmen wir unsere Leistungen und Möglichkeiten Reisenden aus Sachsen vorstellen wollen“, sagte Sprecherin Janouskova. Die Internetseiten des Flughafens und der terminalnahen Parkhäuser sind bereits auf Deutsch verfügbar. In den nächsten 20 Jahren rechnet Flughafenchef Vaclav Rehor mit einer Verdoppelung der Passagierzahlen.

Aber auch die hiesigen Flughäfen sind nicht untätig. So wirbt etwa Dresden schon seit Jahren in Tschechien um Passagiere. Nicht nur mit Plakaten, sondern auch in Gesprächen mit Reiseveranstaltern, Reisebüros und Airlines. „Es gibt bei uns auch tschechische Passagiere und nicht wenige“, erklärte Schuhart. Zudem arbeite an der Dresdner Flughafeninformation eine tschechischsprachige Kollegin, die auch im Marketing aktiv sei. „Das werden wir fortsetzen.“

Sachsen betont die Bedeutung der regionalen Flughäfen für Wirtschaft und Tourismus - und hält an beiden Airports fest. Die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen - wie etwa der Elbe Flugzeugwerke GmbH - wäre ohne die Flughäfen nicht möglich gewesen, hieß es im Wirtschaftsministerium. Zudem arbeiten mehr als 10 600 Beschäftigte in 240 Unternehmen und Behörden an den Flughäfen Dresden und Leipzig/Halle. Sie sind somit auch wichtiger Arbeitgeber.

Den Abwärtstrend bei den Passagierzahlen am Flughafen Dresden sieht das Wirtschaftsministerium nicht durch den Flughafen, sondern vor allem durch Insolvenzen und Streckenstilllegungen der Fluggesellschaften begründet. Unter anderem haben sich Vueling und Air Berlin zurückgezogen. Zudem gebe auf beiden Airports Probleme mit der Auslastung der Strecken, weil die Nachfrage fehle.

Dennoch habe etwa Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) die Entwicklung der Passagierzahlen in den Aufsichtsräten bereits angesprochen. Man erwarte „aktivere Vertriebstätigkeiten“ - und größere Erfolge, hieß es. (dpa)