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NPD-Kritik wieder erlaubt

Ein Dresdner Politologe darf wieder behaupten, dass die NPD „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“ plane. Die Partei hatte zuvor einen entsprechenden Antrag zurückgezogen.

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Dresden. Der Dresdner Politologe Steffen Kailitz darf wieder behaupten, dass die NPD „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“ plane. Die rechtsradikale Partei zog am Freitag vor dem Landgericht Dresden ihrem bereits stattgegebenen Antrag auf Einstweilige Verfügung zurück. Richter Jens Maier hob daraufhin den von ihm Anfang Mai erlassenen Beschluss auf, mit dem er dem renommierten Wissenschaftler des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung die Äußerungen untersagt hatte.

Richter Jens Maier musste in dem Prozess um die NPD-kritischen Äußerungen von Kailitz entscheiden.
Richter Jens Maier musste in dem Prozess um die NPD-kritischen Äußerungen von Kailitz entscheiden. © dpa
Der NPD-Vorsitzende Frank Franz (r.) und sein Anwalt Peter Richter (l.) im Landgericht in Dresden: Die NPD will nun in einem Hauptsacheverfahren gegen die Kailitz-Äußerungen vorgehen.
Der NPD-Vorsitzende Frank Franz (r.) und sein Anwalt Peter Richter (l.) im Landgericht in Dresden: Die NPD will nun in einem Hauptsacheverfahren gegen die Kailitz-Äußerungen vorgehen. © dpa

Das Verbot hatte bundesweit für Empörung gesorgt und war als „Maulkorb“ und Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft heftig kritisiert worden. Für Irritationen hatte auch die AfD-Mitgliedschaft Maiers gesorgt und die Tatsache, dass er dort als Angehöriger des Schiedsgerichts der rechtspopulistischen Partei in Sachsen auch aktiv ist.

Gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung hatte Maier am Freitag erkennen lassen, dass eine besondere Dringlichkeit, die Voraussetzung für eine Einstweilige Verfügung ist, möglicherweise nicht gegeben war. Kailitz‘ Anwalt Jörg Nabert hatte angeführt, dass die NPD bereits vor acht Jahren gegen eine Schrift seines Mandanten vorgegangen sei, in der dieser fast gleichlautende Aussagen zu den politischen Zielen der Partei gemacht habe. Damals sei aber nur eine Fußnote moniert worden, nicht die inhaltliche Aussage. Dadurch sei klar, „dass die NPD über das, was Herr Kailitz macht, im Bilde war“.

Der ursprüngliche Antrag der NPD zielte auf einen Gastbeitrag von Kailitz für „Zeit online“ vom 5. Mai. Darin hatte der Wissenschaftler behauptet, die rechtsextreme Partei „plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen und wolle acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund“. Dies hatte er auch schon als Gutachter im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht so ausgeführt sowie wie seit Jahren in anderen Schriften und Redebeiträgen.

Nabert kritisierte den Beschluss des Landgerichts, die Entscheidung über die Einstweilige Verfügung nicht an eine mit drei Richtern besetzte Kammer, sondern nur an einen Einzelrichter übertragen zu haben. „Für uns stellte sich die Sache als nicht schwieriger Fall dar“, sagte Maier zur Begründung. Er räumte zugleich ein, die Dimension nicht voll erkannt zu haben. „Das Problem war, dass ich nicht wusste, wer Sie sind“, sagte er zu Kailitz.

Die SPD im Sächsischen Landtag begrüßte die Rücknahme des Verbotes. Kailitz leiste mit seiner wissenschaftlichen Arbeit einen wichtigen Beitrag im NPD-Verbotsverfahren, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Henning Homann. Der Versuch, ihm diese durch eine einstweilige Verfügung einzuschränken, sei ein schwerer Fehler gewesen. „Dass die Einstweilige Verfügung nicht durch einen Richter sondern durch einen juristischen Winkelzug der NPD zurückgezogen wird, ist eine traurige Blamage.“

NPD-Anwalt Peter Richter kündigte an, nun in einem Hauptsacheverfahren gegen Kailitz vorgehen zu wollen und schnellstmöglich Klage zu erheben. Der Fall würde dann erneut beim Landgericht Dresden landen. „Ich sage Ihnen zu, dass die Kammer dann in voller Besetzung ist“, sagte Maier.

Kailitz zeigte sich für ein solches Verfahren zuversichtlich: „Wir haben Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Damit ist klar, dass ich da nur gewinnen kann.“ (dpa)