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Mord wegen Auto: Langjährige Haft für Mann und Bewährung für Freundin

Um an ein Fluchtfahrzeug zu kommen, tötet ein junger Mann einen fremden Menschen. Während er lange Zeit hinter Gitter soll, bekommt seine Freundin Bewährung. Die Angehörigen finden das Urteil zu mild.

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Zwickau. Hinterrücks erstochen wegen eines Autos: Das Landgericht Zwickau hat am Freitag einen 20 Jahre alten Mann wegen Mordes und Raub mit Todesfolge zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Zwickauer hatte bereits zu Prozessbeginn gestanden, sein 45-jähriges Opfer am 11. November 2017 ohne jede Vorwarnung getötet zu haben. Demnach lauerte er dem Mann in Gera unweit von dessen Wohnung auf und brachte ihn mit mindestens 15 Stichen in Kopf und Rücken um. „Man wollte ein Auto, eine EC-Karte und ein dickes Portemonnaie haben“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Hartmann in seiner Urteilsbegründung zum Motiv der Tat. Anders als vom Staatsanwalt gefordert, verurteilte die Schwurgerichtskammer den Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht. Die Anklage hatte für eine lebenslange Haft plädiert.

Die 17-jährige Freundin des Beschuldigten erhielt wegen Beihilfe eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Sie sei nicht unmittelbar an der Tat beteiligt gewesen, sondern habe in einem Hauseingang rund 200 Meter entfernt gewartet. Das Sprichwort „Mitgehangen, mitgefangen“ gelte in der Rechtssprechung nicht, sagte Hartmann. Der jungen Frau sei durch verbale Bemerkungen zwar eine „tatfördernde Wirkung“ anzulasten, aber keine „objektive Tatherrschaft“.

Gemeinsam hatten sich die beiden Deutschen eine Woche zuvor auf den Weg in die Schweiz gemacht. Nach einem misslungenen Drogengeschäft wollten sie sich aus Angst vor einer möglichen Strafverfolgung absetzen. Wer auf dem tagelangen Zick-Zack-Kurs zwischen Zwickau und Gera zuerst auf die Idee kam, jemanden für ein Auto zu töten, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Fest stehe, dass der Mann wegen der „fixen Idee“ des jungen Paares von einem vermeintlich sorglosen Leben habe sterben müssen, so das Gericht.

Die 17-Jährige hatte während des Verfahrens wiederholt betont, nichts von den Tötungsabsichten ihres Freundes gewusst zu haben. Dieser hingegen beschrieb seine Freundin als treibende Kraft, die Druck auf ihn ausgeübt habe. „Du bist der Jäger. Das ist die Beute“, soll sie zu ihrem Freund gesagt haben, während sie ihm vorführte, wie er mit dem mitgeführten Küchenmesser einen Menschen töten könne. Das Gericht schenkte den Aussagen des Mannes in weiten Teilen Glauben. Dennoch reiche die bloße Kenntnis von der späteren Tat nicht aus, um die Jugendliche als Mittäterin zu verurteilen. Das hatte die Anklage gefordert und achteinhalb Jahre Haft beantragt. Für den Mann wollte der Staatsanwalt lebenslang.

„Für das, was sie getan hat - wie kann man da mit einer Bewährungsstrafe davonkommen“, zeigte sich die Lebensgefährtin des Toten nach Prozessende fassungslos. Die Ahndung durch die Justiz könne keine Gerechtigkeit bedeuten. „Doch ein härteres Urteil für die beiden wäre zumindest ein kleiner Trost gewesen“, sagte sie der dpa. Die Frau hatte den Prozess an jedem einzelnen Verhandlungstag verfolgt. Der 85 Jahre alte Vater des Opfers war als Nebenkläger aufgetreten.

Die Anwendung des Jugendstrafrechts bei dem 20-Jährigen begründete die Kammer mit dessen Unreife. Als Kind sei er jahrelang von der eigenen Mutter misshandelt worden und mit acht Jahren in ein SOS-Kinderdorf gekommen. Die leibliche Mutter saß deshalb zwei Jahre und zehn Monate im Gefängnis. Nach jahrelanger Kontaktsperre begleitete sie das Verfahren gegen ihr Kind im Gerichtssaal, was bei zahlreichen Prozessbeobachtern für Kopfschütteln sorgte. Auch die Eltern der jungen Frau saßen aufgrund der Minderjährigkeit ihrer Tochter stets im Saal.

Nach der Tat war das Paar mit dem geraubten Wagen und der Leiche im Kofferraum nach Frankfurt/Main gefahren. Das Opfer hatten sie bei Niederaula (Osthessen) in die Fulda geworfen, wo der Leichnam erst drei Monate später entdeckt worden war. In Hessen war es auf einem Parkplatz einem Security-Mann aufgefallen, der die Polizei alarmierte. Auf die Spur kamen die Ermittler den beiden durch eine gefälschte Überweisung vom Konto des Opfers auf das Bankkonto des jungen Mannes.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Alle Prozessparteien prüfen eine Revision vor dem Bundesgerichtshof. (dpa)