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Mit den Augen der anderen

Maureen Müller und Sebastian Wirsching haben für die Kampagne „So geht sächsisch“ einen Film gedreht. Sie blicken darin auf den Freistaat herab, und doch ist es eine Liebeserklärung an ihre Heimat.

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© Ronald Bonß

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Kopfhörer auf, Kamera vor den Augen, das City-Hochhaus unter sich: Maureen Müller und Sebastian Wirsching sitzen in einer Cessna und fliegen über Leipzig. Sie drehen Bildmaterial für ihren neuesten Film: Er handelt von ihrer neuen Heimatstadt, in der sie seit 2014 wohnen, und die sie immer mehr begeistert, je länger sie dort leben.

Für seine Standortkampagne „So geht sächsisch“ hat der Freistaat zwölf sächsische Filmemacher losgeschickt. Sie sollen kurze Clips von höchstens vier Minuten aus ihrer sehr persönlichen Perspektive und mit ihrer individuellen Handschrift drehen. Motto: #DraussenInSachsen.

Gerade unter dem Druck der bundesweiten Negativ-Schlagzeilen aus Chemnitz soll mit der Kurzfilmserie einmal mehr ein anderes, ein positives Bild von Heimat in Sachsen vermittelt werden. Und da ist einiges zu tun.

Der Plan ist schon Ende vorigen Jahres entstanden, lange vor „Chemnitz“. Jetzt sind die Filmemacher in allen Regionen des Freistaates unterwegs für ihre Produktionen. Und die Vielfalt ihrer Ideen und Abenteuer ist groß: Mit einem selbstgebauten Floß die Elbe hinab. Mit dem Mountainbike durchs Erzgebirge. Zu Fuß durch die Dresdner Neustadt oder auf verwunschenen Pfaden durchs Vogtland, eine nächtliche Verfolgungsjagd in Bautzen oder ein Roadmovie zu den schönsten Orten im Freistaat. Nur die Chemnitzer „Heimat-Filmer“ wollen sich zu ihrem Clip „The Sound of Chemnitz“ etwas anderes einfallen lassen als bisher gedacht.

„Die Filmemacher produzieren ein Kurzporträt über ihre Lust auf Heimat, ihre Region, ihre Leidenschaft oder etwas, das sie schon immer einmal über Sachsen erzählen wollten“, sagt Frank Wend, der die Kampagne in der Staatskanzlei verantwortet. „Unser Anliegen mit der Clipserie ist es, kreative Menschen ihr eigenes authentisches Bild zeichnen zu lassen – und keine Hochglanzfilme bei PR-Agenturen zu beauftragen.“ Zum Bergsichten-Festival Mitte November an der TU Dresden sollen alle Arbeiten gemeinsam Premiere feiern. Danach werden sie im Internet wie über die verschiedenen Online-Kanäle der Standortkampagne zu sehen sein.

Maureen Müller und Sebastian Wirsching haben von den 5 000 Euro Honorar einen Flug über Leipzig gedreht, sie wollen eindrucksvolle Architektur wie das Bildermuseum und das City-Hochhaus aus ganz ungewöhnlichen Perspektiven zeigen und eine Paddeltour durch die Kanäle im Szeneviertel Plagwitz unternehmen. Maureen, 24, stammt aus Bernstadt auf dem Eigen bei Görlitz. Sebastian, 25, kommt aus Homburg am Main bei Würzburg. Sie haben sich beim Studium in Mittweida kennen- und lieben gelernt, sind nach einem Praktikum nach Leipzig gezogen. Vor zwei Jahren haben sie am Stadtrand ihr Studio „Malolepzie“ gegründet. Von dort beliefern sie große Agenturen, Autofirmen und Modelabels mit Fotos, Videomaterial und PR-Konzepten.

Leipzig, Sachsen, ist ihnen dafür ein perfektes Zuhause geworden. „Die Stadt ist offen und kosmopolitisch“, sagt Maureen. „Je länger wir hier sind, umso mehr fühlen wir uns willkommen.“ In der Größe der Stadt könne man untertauchen, aber man sei nie anonym. Als junge Leute, die aus der Kleinstadt kommen, genießen sie diese Atmosphäre. Jetzt zeigen sie ihr Leipzig für „So geht sächsisch“: persönlich, authentisch und „mit einem Funkeln in den Augen“, sagt Maureen. Sie ist das Gesicht des Kurzfilms, sie leitet die Kamera ihres Partners durch die Stadt und erzählt davon, wie sie die Stadt erlebt. Maximal zwei, allerhöchstens drei Minuten soll der Film lang werden. Ausländerfeindlichkeit oder Rechtsradikalismus werden darin keinen Platz haben, weil sie auch in ihrem Leipziger Leben nicht vorkommen, sagen die jungen Filmemacher. Vorschriften habe man ihnen nicht gemacht. „Der Film ist für uns ein einzigartiges Sprachrohr“, sagt Sebastian. „Wir haben selten so viel Freiheit bekommen.“

Die Kampagne „So geht sächsisch“ war vor fünf Jahren gestartet, um dem Image von der verpönten rechten Hochburg andere Bilder entgegenzusetzen. Jährlich stehen dafür vier Millionen Euro Steuergelder bereit. Kritiker etwa der Linken beklagen, die Heile-Welt-Kampagne habe mit der Realität nichts zu tun. Das Geld könne man für Soziales oder Kultur besser ausgeben.

Frank Wend in der Staatskanzlei verweist indessen auf Erfolge in der Wahrnehmung. Laut einer Online-Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Juni sei fast jedem vierten Bundesbürger der Werbeslogan „So geht sächsisch“ bekannt. Damit liege man deutschlandweit auf dem zweiten Platz hinter Baden-Württemberg mit dem Werbespruch: „Wir können alles außer Hochdeutsch“. 80 Prozent der Befragten habe die Werbung als sympathisch und glaubwürdig eingeschätzt, so Wend. Geführt wurde sie allerdings einige Wochen vor den Ereignissen von Chemnitz.