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Minderjährige vermisst

100.000 Minderjährige werden über das Jahr in Deutschland vermisst. Die meisten tauchen wohlbehalten wieder auf. Aber einige sind schon länger verschwunden - und mittlerweile erwachsen.

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© Symbolfoto: dpa

Dresden. Felix, Nadine, Christopher: Immer wieder werden Kinder und Jugendliche in Sachsen als vermisst gemeldet. „Die Zahlen sind immer nur eine Momentaufnahme, weil viele Fälle sich binnen kurzer Zeit klären“, sagte Tom Bernhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA), vor dem Tag der vermissten Kinder (25. Mai) in Dresden. Er wird in Deutschland und vielen anderen Ländern begangen. Ende April war der Verbleib von 63 Kindern und 233 Teenagern zwischen 14 und 18 Jahren ungeklärt. Nach 26 von ihnen wird schon seit Jahren erfolglos gesucht.

226 der Vermissten waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die die Gesamtzahl in den vergangenen beiden Jahren hat ansteigen lassen, wie die zuständige LKA-Dezernatsleiterin Heike Neumann erklärte. Die Gründe, warum sie ihre Einrichtungen verlassen, sind Fahndern nicht bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass sie in Städte oder Regionen gehen, wo Verwandte und große Gruppen von Landsleuten sind. „Sie sind ja sehr gut vernetzt.“ Bisher haben die Fahnder keinen Fall, in dem einer von ihnen einer Straftat zum Opfer gefallen ist.

„Wenn wir die Flüchtlinge abziehen, ist die Zahl überschaubar“, sagte Neumann. Übrig blieben je 35 Kinder und Jugendliche. 39 der insgesamt 70 vermissten Minderjährigen seien Dauer-Ausreißer, sagte Neumann. „Da gibt es eine ganze Bandbreite von Gründen: Streit in der Familie, Stress in der Schule, mit Freunden, Liebeskummer, Suchtprobleme und Abenteuerlust.“ Neben 25 Fällen von Kindesentziehung durch einen Elternteil gibt es sechs vermisste Minderjährige, wo der Hintergrund unbekannt ist. „Dass sie Opfer von Straftaten werden, ist selten.“

Zu den spektakulärsten Fällen in Sachsen gehört das Verschwinden des fünf Monate alten Felix aus seinem vor einem Kaufhaus abgestellten Kinderwagen im Dezember 1984 in Dresden. Trotz aller Bemühungen wurde der Junge bislang nicht gefunden. Die Strafakte ist inzwischen geschlossen, aber „Felix“ läuft als Vermisstenfall weiter.

Auch das Baby, das 2009 mit Eltern und zwei Geschwistern im Jemen verschleppt wurde, steht auf der Liste. Die Behörden gehen davon aus, dass das Ehepaar aus Meschwitz bei Bautzen getötet wurde und der knapp Einjährige an einer Infektion starb. Die beiden Töchter kamen 2010 überraschend frei.

Die Leipziger Polizei sucht seit mehr als 20 Jahren nach damals zwei und acht Jahre alten Kindern. Grundschülerin Nadine verschwand im Juni 1995 von einer Familienfeier im Stadtteil Schleußig, Christopher knapp zwei Monate zuvor aus einem Bornaer Neubaugebiet.

Nach Angaben der Initiative „Vermisste Kinder“ verschwinden jedes Jahr bundesweit rund 100 000 Minderjährige. „Etwa die Hälfte ist in der ersten Woche wohlbehalten wieder da, innerhalb eines Monats sind es 80 Prozent“, berichtete Daniel Kroll. Nur etwa drei Prozent bleiben länger als ein Jahr verschwunden. Bei anderen Fällen sei unklar, was passiert ist. „Dahinter kann ein Verbrechen oder Unglück stecken“, sagte Kroll.

Den Tag der vermissten Kinder am 25. Mai gibt es seit 1983. Ins Leben gerufen hatte die Initiative der damalige US-Präsident Ronald Reagan im Gedenken an einen Sechsjährigen, der am 25. Mai 1979 in New York auf dem Weg zur Schule verschwand. Inzwischen ist er für tot erklärt - seine Leiche wurde jedoch nie gefunden. (dpa)