Von Tilo Berger
Es ist ziemlich viel Blau zu sehen an diesem Donnerstagvormittag in der Grenzstadt Bad Muskau. Die Farbe überwiegt am Himmel, zeigt sich an auffällig vielen Autos, in denen Frauen und Männer in Uniform sitzen – und ein Spaziergänger im Fürst-Pückler-Park kommt wohl vom ersten Frühschoppen. Er will mal die Bundeskanzlerin aus der Nähe sehen. „Die Gelegenheit kommt nicht gleich wieder, nich!“ Um die Wartezeit zu überbrücken, hat er sich etwas Proviant mitgebracht. Ein Polizist weist ihn darauf hin, dass Angela Merkel erst am Nachmittag erwartet wird.
Ministerpräsidenten beraten über Strukturwandel
Derweil tagen die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer hinter verschlossenen Türen. Vor dem Neuen Schloss stürzen sich die Fotografen auf jedes Auto – es kann ja jemand Prominentes aussteigen. Kurz nach 12 Uhr genießt zum Beispiel Wirtschafts-Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) das Knipsgewitter. Die Ost-Beauftragte der Bundesregierung kommt im Moment fast täglich in die Lausitz, erst am Montag ging es bei einer Konferenz in Schwarze Pumpe um Erfindungen, die neue Arbeitsplätze ins Noch-Kohlerevier bringen können.
Das will auch ein neues Förderprogramm, das Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) den wartenden Journalisten vorstellt. Mit rund 150 Millionen Euro will die Bundesregierung strukturschwachen Regionen in den Ost-Ländern unter die Arme greifen. Das Geld soll unter anderem ländliche Räume als Wohn- und Arbeitsorte aufpeppen, Schwung in die medizinische Versorgung bringen und die Energiewende vorantreiben. Ab 2020 greift das Programm auch im deutschen Westen.
Während die Ministerpräsidenten vor dem Schloss auf die Kanzlerin warten, versammeln sich in Sichtweite um die hundert Schaulustige. Kreischende Wutbürger sind nicht dabei, das einzige Transparent fordert den Ausstieg aus der Braunkohle. Bad Muskaus Bürgermeister Andreas Bänder (CDU) steht erwartungsvoll mit einem großen Blumenstrauß vor der Freitreppe – und zieht sich dann doch wieder zwischen die schützenden Gebäude zurück. „Es windet ganz schön“, sagt SPD-Frau Iris Gleicke zu CDU-Ministerin Johanna Wanka.
Kurz vor 14 Uhr knattert ein Hubschrauber der Bundeswehr über den Pückler-Park und landet auf der Wiese vor dem Schloss. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich eilt über das feuchte Gras dem Helikopter entgegen, aus dem die Bundeskanzlerin steigt. Angela Merkel ist sichtlich gut gelaunt, winkt in alle Richtungen und nimmt sich Zeit für das eine oder andere Hallo zu Zaungästen. Endlich wird auch der Bürgermeister sein Blumenbukett los.
Im Schloss ist ein Tischgeviert aufgebaut, an einer Seite nimmt die Kanzlerin Platz, gegenüber Tillich, links und rechts die anderen Ministerpräsidenten und Berlins Regierender Bürgermeister. Auf den Tischen, an denen es gleich um Ost-Förderung geht, steht Mineralwasser aus Rheinland-Pfalz. Nach dem Blitzlichtgewitter bittet Sachsens Regierungssprecher Christian Hoose die Pressemeute höflich, aber bestimmt nach draußen. Unterdessen werfen Neugierige einen Blick in den Hubschrauber. Und wundern sich über die einfache Ausstattung. Punkt 15.30 Uhr muss der Heli wieder abheben, ist zu erfahren. Auf Angela Merkel wartet der nächste Termin. Zeit für eine kurze Pressekonferenz bleibt aber. Der erste Satz der Kanzlerin: „Bad Muskau ist ein schöner Ort zum Tagen.“
Die Auftaktfrage gilt dem Strukturwandel in der Lausitz. Wie kann und will die Bundesregierung dabei helfen? 2018 solle eine Kommission im Auftrag der Regierung Vorschläge für den Strukturwandel erarbeiten, antwortet Angela Merkel. „Die Braunkohle sorgt für viel Wertschöpfung in der Region, da müssen Alternativen geschaffen werden, ehe man aus der Kohle aussteigt.“
Kurz nach halb vier steigt der Hubschrauber wieder auf. Über Bad Muskau scheint die Sonne, und die blauen Autos werden sichtlich weniger. Der Durstige vom Vormittag wurde nicht mehr gesehen.