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Kein einziges Gewässer in gutem Zustand

In den Flüssen und Bächen des Landkreises Meißen schwimmt eine Menge, was da nicht hingehört. Anderes wiederum fehlt.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Ronja Münch

Großenhain/Meißen. Bekleidet mit Wathose mit integrierten Stiefeln, den Kescher in der Hand, steigt Alfred Biemelt ins Wasser des Hopfenbachs in Großenhain. Der Biologe ist auf der Suche nach Wasserlebewesen. Hier am Bach, unweit vom Gewerbegebiet Zschieschen, ist es nahezu idyllisch. Viel Grün, ein Pfad am Wasser. Gesäumt von Bäumen schlängelt sich der Hopfenbach zwischen Feldern hindurch. Doch so natürlich, wie der Bach aussieht, ist er nicht: Sein ökologischer Zustand ist „unbefriedigend“. Hier lebt längst nicht so viel, wie das in einem natürlichen Gewässer der Fall wäre. Außerdem werden Schadstoffgrenzwerte überschritten.

Aus Stöckchen und Blättern fischt er unter anderem Insektenlarven und Schnecken – mit dem bloßen Auge oft kaum zu erkennen.
Aus Stöckchen und Blättern fischt er unter anderem Insektenlarven und Schnecken – mit dem bloßen Auge oft kaum zu erkennen. © Klaus-Dieter Brühl

Mit der Badequalität hat diese Einordnung nichts zu tun. Erst vor wenigen Tagen gab die Europäische Umweltagentur den sächsischen Badegewässern beste Noten. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie will hingegen eine umweltverträglichere Wassernutzung erreichen. Und dazu gehört auch, dass Gewässer regelmäßig auf ihren ökologischen Zustand getestet werden. Anhand mehrerer Faktoren bewertet in Sachsen das Landesamt für Umwelt und Geologie, ob sich die Flüsse, Seen und Bäche des Freistaats in gutem, mäßigem, unbefriedigendem oder schlechtem Zustand befinden – und welche Maßnahmen zur Verbesserung nötig sind.

Die Vorgaben sind dabei sehr streng. Den ökologischen Zustand „sehr gut“ kann ein Gewässer nur erreichen, wenn es gar keinen menschlichen Einflüssen ausgesetzt wird. In von Menschen besiedelten Räumen ist das Ziel ein „guter“ Zustand, das heißt, er weicht geringfügig vom natürlichen Zustand ab. Auch Flüsse im Nationalpark Sächsische Schweiz erreichen nicht mehr als die Note „gut“. Im Landkreis Meißen schafft das hingegen kein einziges Gewässer. Insgesamt werden hier 59 Flüsse, Bäche und Seen untersucht. Nur sieben davon erhalten bisher die Bewertung „mäßig“, je 26 sind „unbefriedigend“ oder „schlecht“. Einer der Faktoren, nach denen die Qualität beurteilt wird, ist die Anzahl und Artenvielfalt der Kleinstlebewesen am Gewässerboden. Das ist das, wonach Alfred Biemelt sucht. Aus dem Sand am Boden des Hopfenbaches fischt er alles, was gerade noch mit dem bloßen Auge zu erkennen und kein Fisch ist. Beispielsweise Larven der Eintagsfliegenart Ephemera danica. Das ist typisch für einen Bach mit viel Sand. „Die Arten geben Rückschluss über den Zustand des Gewässers“, erklärt Biemelt. Finden sich beispielsweise in einem Fließgewässer Arten, die eher für stille Gewässer typisch sind, sei das nicht so gut. Das weise darauf hin, dass der Fluss gestaut wird. Auch Kleinstlebewesen wandern den Fluss hin-auf, so wie Fische. Wird ihre Wanderung behindert, zum Beispiel durch Wehre, verhindert das einen natürlichen Gewässerzustand.

Neben den Kleinstlebewesen untersuchen Biemelts Kollegen den Zustand der Fische, kleiner und großer Pflanzen und Algen sowie das winzige Phytoplankton. Aber die Flüsse werden auch auf Schadstoffe wie Industriechemikalien, Pflanzenschutzmittel und Schwermetalle getestet. Ist ein einziger Parameter nicht „gut“, stuft dies das ganze Gewässer herab. Die Pulsnitz an der Grenze zum Landkreis Bautzen ist so ein Beispiel. Sie ist im Landkreis am nächsten dran an der Note „gut“. Doch für die Pflanzenvielfalt gibt es nur ein „mäßig“. „Die schlechteste Bewertung bestimmt den Zustand“, erklärt die zuständige Referentin im Landesamt Anne Matthies-Umhau.

Eines der schlechtesten Gewässer ist hingegen der Quersabach bei Lampertswalde. Sowohl der Zustand der Fische als auch der Kleinstlebewesen ist schlecht, noch dazu werden die Grenzwerte für das Umweltgift Dibutylzinn, für Zink und das Herbizid Diflufenican überschritten.

Die Elbe ist größtenteils in einem guten Zustand. Nur dem Phytoplankton geht es weniger gut, was dem Fluss insgesamt ein „unbefriedigend“ einbringt. Die Große Röder ist in mäßigem Zustand, der Nährstoffgehalt ist durch Abwasserbelastungen zu hoch. Die Triebisch bekommt die Note unbefriedigend. Sowohl die Lebensbedingungen für Fische als auch für Pflanzen sind nicht gut. Es werden Grenzwerte für Cadmium und Arsen überschritten. Schuld ist der Erzbergbau, der in der Vergangenheit im Oberlauf der Triebisch betrieben wurde. Noch heute werden dort Schwermetalle freigesetzt.