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Kampf um Sachsens Spielhallen

Die Automaten-Branche wehrt sich gegen Schließungen ihrer Standorte – und gegen zunehmende illegale Konkurrenz.

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© picture alliance / dpa

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Auf der Eisenbahnstraße in Leipzig reiht sich ein bunter Laden an den anderen. Alle paar Häuser lockt mittlerweile auch das Glücksspiel: Oft sind es Cocktail-Bars, Spiel-Cafés oder Shisha-Bars, die auf verklebten Scheiben mit bunten Bildern und reißerischen Sprüchen für angeblichen Geldsegen an Spielautomaten werben. 20 solcher Casinos, Automaten-Bars und Wettbüros sind an der Eisenbahnstraße registriert – dazwischen liegen nur drei reguläre, konzessionierte Spielhallen. Doch um die Verteilung der „Spielplätze“ tobt hinter den Kulissen ein heftiger Kampf: Sachsens offizielle Spielhallenbetreiber wehren sich gegen eine drohende Schließung ihrer legalen Standorte – und gegen einen Wildwuchs in der spielerischen Grauzone und auf dem Schwarzmarkt.

Anlass für die Auseinandersetzung liefert ein neues Gesetz, das seit Juli im Freistaat gilt: Demnach müssen alle konzessionierten Spielhallen 250 Meter Luftlinie Abstand zu Schulen und auch 250 Meter Abstand untereinander halten. Mehrfachkonzessionen an einem großen Standort sind nun verboten. Durch die Neuregelungen würden viele Betreiber in die Knie gezwungen, beklagte am Donnerstag Thomas Breitkopf, Vorsitzender des Verbandes der Automatenkaufleute im Osten, bei einem Besuch der Leipziger Eisenbahnstraße. Denn etliche reguläre Spielhallen könnten die neuen Vorgaben nicht erfüllen. Fast der Hälfte der zurzeit 327 Casinos in Sachsen drohe das Aus – und mit ihnen etwa der Hälfte der rund 2 000 Beschäftigten die Arbeitslosigkeit.

Widersprüche und Klagen

Beate Mai kennt das Dilemma. Seit 27 Jahren arbeitet sie in der Branche, sie ist Betriebsleiterin des Familienunternehmens Jackpot, das fünf Standorte in Leipzig, einen in Geithain und einen in Oschatz betreibt. Nun könnten bis zu 40 ihrer 50 bis 60 Kollegen den Job verlieren. Viele von ihnen seien Frauen, einige von ihnen alleinerziehende Mütter. Nach Bescheiden der Landesdirektion sollen derzeit sieben ihrer zwölf Konzessionen wegfallen und zwei Standorte in Leipzig schließen, weil sie zu nah an Schulen liegen, auch an der Eisenbahnstraße. Verzweifelt seien ihre Kollegen und sie auf der Suche nach rechtlich zulässigen Ladengeschäften, aber die seien sehr schwer zu finden.

„Ich wusste bisher nicht, wo es überall Schulen in Leipzig gibt“, sagt Beate Mai. Dass die meisten Spielhallen überhaupt noch existieren, liegt daran, dass neue Übergangsfristen geschaffen sowie etliche Widersprüche und Klagen eingereicht wurden. Aufgrund von langfristigen Verträgen wurden zudem viele Härtefallanträge gestellt. Das Gerangel um die Spielhallen wird indes nicht nur in Leipzig ausgetragen, sondern in vielen Großstädten, wie auch in Dresden, sagte Verbandsfunktionär Breitkopf aus Fürstenwalde, der Spielhallen in fünf Bundesländern betreibt.

Auch in anderen Bundesländern würden mehr als die Hälfte der Konzessionen vom Markt verschwinden. Zugleich präge nun Wildwuchs das Bild mancher Straßenzüge. Einzig in Sachsen-Anhalt habe man eine Härtefallregelung über fünf Jahre für alle Spielhallen getroffen. „In legalen Spielhallen gelten viel strengere Regeln zum Spielerschutz als in anderen Einrichtungen“, sagt Breitkopf. Werbung, Alkohol und Zutritt für Jugendliche sind untersagt, dafür Sozialpläne und Schulungen für die Mitarbeiter vorgeschrieben. „Für Laien sind die Unterschiede von außen aber kaum erkennbar.“

Laut Georg Stecker, Vorstandssprecher des Dachverbandes der deutschen Automatenwirtschaft, haben Studien bereits gezeigt, dass die Illegalität weiter wachse. „Wenn die Zahl der Konzessionen zurückgeht, weichen die Spieler auf illegale Angebote aus“, warnt Stecker. Doch legale Anbieter würden den Spielerschutz ernst nehmen und sich auch um Spielsüchtige kümmern. Sie werden gezielt von Spielhallen-Mitarbeitern angesprochen, wenn sie auffälliges Suchtverhalten zeigen. Zusammen mit der Dresdner Firma Cognitec habe man zudem das Gesichtserkennungssystem „Face-Check“ entwickelt. Das Kontrollsystem könne den Zugang für junge Leute unter 25 Jahren und für gesperrte Spieler verhindern. Außerdem wolle man sich einer Tüv-Zertifizierung stellen, die alle Regularien überprüft. Darüber hinaus habe der Verband eine Meldeplattform geschaffen, bei der Unternehmen anonym gemeldet werden können, die sich nicht an gesetzliche Spielregeln halten, berichtet Simone Storch, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Automatenunternehmer.

Die Branche erwirtschaftete voriges Jahr mit Geldspielgeräten einen Umsatz von 6,85 Milliarden Euro. Nach Zahlen der Verbände spielen bundesweit etwa fünf Millionen Menschen über 18 Jahren regelmäßig an solchen Automaten, weitere fünf Millionen spielen gelegentlich. Nach Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gelten allerdings 300 000 bis 670 000 Menschen als spielsüchtig.