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Junge Sorten, altes Gut

Tim Strasser aus Meißen gehört zu den experimentierfreudigsten Winzern. Seine Familie stammt aus Ungarn.

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© kairospress

Junge Winzer bringen neuen Schwung in die Weinberge an der Elbe. Sie, Herr Strasser, gehören mit 31 Jahren zweifellos dazu, verkaufen aber schon seit 2010 eigenen Wein. Sind Sie damit der Dienstälteste der jungen Wilden?

(lacht) Nee, sehe ich nicht so. Stefan Bönsch etwa war ein Jahr vor mir in der Ausbildung bei Wackerbarth. Von ihm habe ich viel gelernt. Auch Kretschko oder Aust haben vor mir angefangen.

Treffen sich die Jungen gelegentlich und hecken neue Pläne aus?

Leider noch nicht. Man sieht sich, man hilft sich. Aber ein Jungwinzerstammtisch? Von mir aus gern.

Sie gelten als besonders experimentierfreudiger Winzer.

Wir haben von Anfang an auf die Piwis gesetzt.

... die pilzwiderstandsfähigen Sorten.

Genau. Unser Weinbauberater hatte uns zu Weinsorten wie Hibernal oder Helios geraten, bei denen wir wenig Pflanzenschutzmittel spritzen müssen. Das passt in die Zeit. Piwis sind super, weil sie so gezüchtet wurden, dass sie lockerbeerig sind und wenig Fäulnis auftritt. Die Pflanzen sind frosthart. Ich bin glücklich damit. Sie passen zu unserer jungen Truppe.

Wie jung ist die denn?

Mein Kellermeister Martin Biedermann hat mit mir gelernt und später Weinbau studiert. Er ist auch 31, Anne, unsere Vermarkterin, und unser neuer Winzer Johannes sind 26. Der Älteste ist 36.

Ist der jungen Truppe schon was eingefallen, wie Sie junge Sachsen zum Weintrinken verführen kann? Viele trinken doch lieber was Gemixtes.

Stimmt schon: 70 Prozent der Leute, die hier zum Weintrinken herkommen, sind reiferen Alters. Aber zu unserer Philosophie gehörte es schon immer, unkomplizierte, fruchtige Weine mit einem schönen Bukett herzustellen, die zum Trinken anregen. Ein Rosé oder ein Cuveewein zum Beispiel. Diese Weine schmecken jungen Leuten und sind nicht so preisintensiv. Außerdem locken wir sie mit Familienangeboten auf den Hof, mit Spielen oder einer Hüpfburg. Das klappt gut. Fürs erfahrenere Publikum stellen wir andere, anspruchsvollere Weine her – Scheurebe, Grauburgunder, Riesling, Sauvignon blanc.

Sie experimentieren gern mit neuen Sorten wie dem Helios. Der Weinführer Gault Millau ist aber gerade von Ihren Klassikern angetan. Was sagt Ihnen das?

Dass die Weinexperten Abstand halten zu den neuen Sorten. Was ich nicht verstehen kann. Der Helios etwa ist eine Art Müller-Thurgau, mit einem schönen Abgang mit Muskatnoten, und der vorn heraus zart nach grünem Paprika schmeckt. Wir haben mit diesen Weinen mal bei einem europäischen Piwi-Wettbewerb mitgemacht, da haben wir eine Gold- und zwei Silbermedaillen gewonnen.

In Ihrem Weingut hängen viele historische Fotos, die darauf schließen lassen, dass der Weinbau in Ihrer Familie eine lange Tradition hat.

Meine Vorfahren waren Donauschwaben, die im 18. Jahrhundert nach Ungarn ausgewandert sind. Meine Urgroßeltern haben dort schon Wein angebaut. Als der Krieg zu Ende war, wurden sie enteignet und mussten raus. Mein Onkel ging mit seiner Familie nach Schwaben zurück, mein Vater kam nach Meißen. Meine Eltern und Großeltern haben dann hier im Nebenerwerb Wein angebaut und in der Winzergenossenschaft abgegeben. Tja, und 2010 bin ich dann eingestiegen. Ich habe ein verfallenes Gut – Rothes Gut – gekauft und angefangen, selbst Wein herzustellen, der nach diesem Gut benannt ist.

Was hat Ihnen die Familientradition für den Winzerberuf mitgegeben?

Zunächst die Liebe zur Natur. Ich war ja schon als Kind bei der Weinlese dabei, habe früh angefangen, Reben zu schneiden, gemeinsam mit zwei meiner Schulfreunde.

Und wann haben Sie den ersten Wein getrunken?

Weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich mit fünf Jahren – so einen Tropfen auf den Finger. Jedenfalls war es naheliegend, dass ich eine Lehre bei Wackerbarth angefangen habe. Anschließend arbeitete ich bei den Eltern im Weinberg. Das hat mir schon Spaß gemacht. Aber ich habe auch schnell gemerkt, dass es mir noch ein bisschen mehr Spaß machen würde, wenn ich im eigenen Weinberg arbeiten könnte.

Wie haben Sie den Einstieg geschafft?

Ich bin zu meinen Eltern gegangen und hab sie gefragt: Habt ihr nicht noch ein paar Flächen übrig? Ich wusste ja schon, dass man fünf, sechs Hektar braucht, um davon leben zu können. Die Flächen fanden sich wirklich, sie mussten nur aufgerebt werden. Dabei hat mir meine Familie sehr geholfen.

Dann haben Sie sich selbstständig gemacht und ein baufälliges Gut bei Meißen gekauft. Wie alt waren Sie da?

24. Wir haben ein Jahr lang nur Müll rausgeräumt. Dann eine große Halle für die Weinherstellung gebaut. Seither sanieren wir das Gut Schritt für Schritt. Jetzt haben wir eine Maschinenhalle, ein Weinlager, eine Vinothek, Verkostungsräume, Büros. Klar, und ich wohne hier. Inzwischen bewirtschaften wir auf der linken Elbseite 15 Hektar Weinfläche, fast alles auf Grund und Boden meiner Eltern. Sie haben hier früher Getreide angebaut. Es sind gute Flächen, sie fallen nach Süden ab, die Reben bekommen viel Sonne. Und ich kann sie – im Gegensatz zu Steillagen – mit Maschinen bearbeiten. Das ist natürlich viel leichter als Treppe rauf, Treppe runter.

Sie haben ordentlich Kredite aufgenommen. Drücken die Schulden?

Ach, ich nehm das locker. Die Winzerei ist ein schöner Beruf, man lebt mit der Natur und sieht, wie alles wächst. Da gibt es so viele Freuden, und es bleibt nicht viel Zeit, um über Schulden nachzudenken.

Wo verkaufen Sie Ihren Wein?

Vor allem in Sachsen. Aber auch in Berlin und in Rostock, wo die Sachsen Urlaub machen. Es gibt inzwischen auch Händler in Hamburg und Stuttgart, die unseren Wein anbieten. So wächst das.

Wie stellen Sie sich Ihr Weingut in zehn Jahren vor?

Es soll ein Ort der Begegnung werden. Hier soll jeder auf den Hof kommen können, um bei der Produktion zuzuschauen und natürlich Wein zu verkosten. Die Flächen will ich gar nicht mehr vergrößern, wir haben genug. Und unser Wein wird jetzt bereits in guten Restaurants und Geschäften angeboten – da sind wir schon, wo wir mal hinwollten.

Gibt es ein Vorbild?

Ich guck mir von vielen etwas ab, es sind ja alles Künstler, die Kollegen. Ich habe von einem jungen Winzer in der Steiermark viel gelernt. Und von Martin Schwarz hier in Meißen, ein super Kerl.

Andersherum: Welche Erfahrungen kann der Jungwinzer Tim Strasser Leuten mit auf den Weg geben, die erst mit dem Weinbau anfangen?

Man kann sehr jung schöne Weine herstellen. aber man muss sie auch an den Kunden bringen. Das heißt, das Marketing darf nicht unterschätzt werden. Und: Je größer der Betrieb wird, desto mehr Aufgaben muss der Winzer an seine Mitarbeiter abgeben. Auch wenn’s schwerfällt.

Wie wird denn der Jahrgang 2017?

Die Küken werden im Herbst gezählt. Aber man kann schon sagen, dass wir mit Qualität und Menge zufrieden sein können.

Das Gespräch führte Olaf Kittel.

Lesen Sie in der nächsten Folge zum Abschluss unserer Serie: Wie gut ist Sachsens Wein wirklich – Was der erste ostdeutsche Master of Wine dazu sagt.