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„Ich will nur noch weg“

Sie bereue ihren Entschluss, sich dem IS angeschlossen zu haben, sagt Linda W. Reportern in Bagdad. Medienberichten zufolge hatte die Pulsnitzerin ein Baby bei sich.

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© Screenshot: twitter.com/VianDakhil

Dresden. Die junge Deutsche, die in der vorigen Woche in einem Tunnelsystem der irakischen Stadt Mossul festgenommen worden ist, ist die 16-jährige Linda W. aus Pulsnitz. Das hat die Staatsanwaltschaft Dresden am Sonnabend bestätigt. Das Mädchen werde von der deutschen Botschaft im Irak betreut, sagte Behördensprecher Lorenz Haase. Linda W. wird verdächtigt, sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen zu haben. Die Schülerin aus Sachsen war im Sommer 2016 heimlich in die Türkei gereist, kurz nachdem sie zum Islam konvertiert war.

Bisher ist unklar, ob Linda W. zu einer Gruppe ausländischer IS-Kämpferinnen gehörte, die von irakischen Anti-Terror-Einheiten in einem Tunnelsystem der Stadt Mossul festgesetzt wurden. Das Auswärtige Amt wollte auf SZ-Anfrage am Wochenende keinerlei Auskünfte zu dem Fall geben. Unterdessen ist es einem irakischen Reporter gelungen, mit Linda W. zu sprechen. Er arbeitete im Auftrag von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Danach ist sie in der Krankenstation eines Militärkomplexes in Bagdad untergebracht worden. „Es geht mir gut“, habe sie gesagt. Sie wirke erschöpft, sei aber abgesehen von einer Schusswunde am Oberschenkel unversehrt. Ursache für die Verletzung sei ein Raketensplitter. Drei amerikanische Sanitäter sollen bei ihr sein.

Lange Haftstrafe für Grenzübertritt

„Ich will nur noch weg“, habe sie dem Reporter gesagt. „Ich will weg aus dem Krieg, weg von den vielen Waffen, dem Lärm.“ Die sogenannte Goldene Brigade, eine von den Amerikanern ausgebildete Spezialeinheit der irakischen Armee, habe Linda W. in den Trümmern von Mossul gefunden und verhaftet. Sie hatte sich dort offenbar mit anderen ausländischen Kämpferinnen versteckt. Die britische Zeitung Sunday Times berichtete, Soldaten hätten sie mit einem Baby aufgegriffen. Der kleine Junge in ihrer Obhut sei unterernährt gewesen und habe in einem Krankenhaus versorgt werden müssen. Ob es ihr eigenes Kind gewesen sei, sei unklar. Laut Sunday Times soll Linda W. einen gefälschten Personalausweis sowie eine Waffe bei sich getragen haben. Sie habe sich mit den Personalien eines verschwundenen jesidischen Mädchens ausgewiesen und sich geweigert, ihren Namen zu nennen. Ihre Identität habe unter anderem mithilfe von Fotos und ihrer Sprache ermittelt werden können.

Dem Reporter, der unter Aufsicht des irakischen Militärs und im Beisein eines Staatsanwaltes mit ihr sprach, sagte sie dagegen, sie sei für eine Jesidin gehalten worden und habe gesagt, sie sei Deutsche. Viele IS-Kämpfer hielten sich jesidische Frauen als Skavinnen.

Dem Bericht von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zufolge liegt eine weitere Deutsche auf der Krankenstation des irakischen Militärs. Die beiden werden mit weiteren in Mossul verhafteten Ausländerinnen aus Frankreich, Tschetschenien und Marokko in einem umgebauten Büro festgehalten. Auch Kinder würden dort untergebracht. Die Versorgung sei nach Angaben der irakischen Soldaten überdurchschnittlich gut, obwohl in Mossul zuletzt Selbstmordattentäterinnen eine Reihe von Anschlägen verübt haben.

Nach Angaben ihrer Schwester Miriam W. hat sich Linda im Januar dieses Jahres zu Hause gemeldet. Sie habe ihre Schwester auf den im Internet kursierenden Fotos sofort erkannt, sagte sie den Reportern.

Über das weitere Schicksal der Schülerin aus Sachsen entscheiden nun die Verantwortlichen im Irak. Ein Richter sagte dem irakischen Reporter in Bagdad, allein für illegalen Grenzübertritt von Syrien in den Irak sehe das Strafrecht bis zu dreieinhalb Jahren Gefängnis vor. Linda W. hoffe auf Auslieferung nach Deutschland, auch wenn ihr ein Ermittlungsverfahren droht. Sie werde kooperieren und bereue ihren Entschluss, sich dem IS angeschlossen zu haben, habe sie gesagt. (SZ/lot/dpa)