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Hohe Dunkelziffer bei Stalking

Verschmähte Liebhaber, falsch Beratene, Psychopathen - Stalker gibt es auch in Sachsen. Längst nicht alle Fälle werden angezeigt. Manche Opfer bezahlen ihr Schweigen mit dem Leben.

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© dpa

Dresden/Leipzig. In Sachsen werden jährlich mehr als 1 000 Fälle von Stalking erfasst. Die Zahl schwankt zwischen 1 200 und 1 500.

„Es ist ein gleichmäßiges Auf und Ab“, sagte eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) in Dresden. Da viele Opfer eine Anzeige scheuten, gebe es eine hohe Dunkelziffer. Seit 2012 ging die Zahl der damals gemeldeten 1 460 Stalking-Fälle deutlich zurück. 2016 wurden 1 205 Fälle registriert. Mehr als 90 Prozent werden inzwischen aufgeklärt, die meisten Täter sind ja gewollt bekannt, wie Jana Dittrich von der Leipziger Kriminalpolizei erklärte.

Stalker verfolgen, belästigen und terrorisieren Menschen, bedrohen deren Sicherheit und beeinträchtigen ihr Leben. Es seien Ex-Partner, die vermeintlich die Beziehung retten, Menschen, die sich von Anwälten, Ärzten, Professoren, Richtern oder Behörden ungerecht behandelt fühlen oder krankhafte Täter, die Dominanz und Kontrolle wollten. „Sie sind gewaltbereit und sehr gefährlich“, sagte Dittrich. Nicht selten stehe am Ende Mord. „Dem ging meist ein jahrelanges Martyrium mit Gewalt und Terror voraus.“

Manche dieser Täter sporne es noch an, wenn sich das Opfer wehrt. So tötete ein Ex-Student 2011 eine Kommilitonin in Leipzig mit Hammerschlägen. Die 25-Jährige hatte ihn zuvor mehrfach wegen Nachstellung und Stalking angezeigt. In der Regel aber reiche das Spektrum der Stalker von ständigem Auflauern und unerwünschter Kontaktaufnahme per Anruf, SMS, WhatsApp oder Facebook über Klingeln und Verfolgung mit dem Auto bis zu unerwünschten Warenbestellungen.

Dittrich berichtete von Annoncen für Prostitution mit Name und Telefonnummer des Opfers. Ein Student habe die Wohnung seiner Professorin zur Ramsch-Miete angeboten - vermeintlich hatte sie ihn durch die Prüfung fallen lassen. „Samstags ab 6 Uhr stand ihr Telefon nicht mehr still.“

Auch Fenster werden eingeworfen, Blumenbeete im Garten zerstört, Reifen zerstochen, Briefkästen mit Kot beschmiert oder Keller mit Buttersäure verseucht. Zudem biete das Internet ein unermessliches Feld für Stalker. Das würden kompromittierende Fotos eingestellt und Fake-Profile erstellt.

„Stalker werden auch begünstigt durch die Unvorsichtigkeit der Opfer“, so die Expertin. Sie seien generell selbst gefordert, sich zu wehren, etwa auf zivilrechtlichem Wege per Kontaktverbot. Auf Anrufe, Nachrichten oder Mails mit Vernunft und Zuwendung zu reagieren, ist laut Dittrich indes nicht förderlich. „Wer gestalkt wird, muss eine klare Ansage machen!“ Der Paragaf 238 des Strafgesetzbuches verlange, dass die Nachstellung unbefugt sein muss. „Der Willen muss ordentlich manifestiert sein.“ (dpa)