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Hirsch muss Geweih abgeben

Der Moritzburger Elch ist noch einmal davongekommen. Dafür hat der weiße Hirsch seine Männlichkeit verloren. Zumindest teilweise.

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© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Der weiße Hirsch torkelt durchs Unterholz, lehnt sich an einen Baum und muss sich schließlich doch geschlagen geben. Benommen sinkt er zu Boden, legt den Kopf ab und schließt die Augen. Der Betäubungspfeil mit dem leuchtend rosa Puschel steckt noch in seinem Hintern. Den hat etwa eine halbe Stunde vorher der Tierarzt Dr. Hans-Michael Gerbert auf ihn abgefeuert. Die Tierärzte und Ronald Ennersch, Leiter des Moritzburger Wildgeheges, warten noch ein paar Minuten und marschieren dann mit Säge und Seilen bewaffnet ins Gehege. Vorsichtig, denn wenn der Hirsch doch noch zuckt, kann er die Männer mit seinem Zehnender schwer verletzen. Die Narkose wirkt, eine weitere Spritze ist nicht nötig. Die Tierärzte fesseln ihn trotzdem kurz, Ronald Ennersch setzt die Säge am Geweih an und schleift die abgesägten Enden danach, damit der Hirsch mit den scharfen Kanten niemanden verletzt.

Gehege-Chef Roland Ennersch nimmt das Geweih mit ins Forsthaus Kreyern.
Gehege-Chef Roland Ennersch nimmt das Geweih mit ins Forsthaus Kreyern. © Norbert Millauer
Ohne Kopfschmuck schläft er seinen Rausch aus.
Ohne Kopfschmuck schläft er seinen Rausch aus. © Norbert Millauer

Genau deshalb musste das Tier seinen prächtigen Kopfschmuck abgeben. Denn ähnlich wie im Elch-Gehege gibt es unter den Hirschen während der Brunft Spannungen. Während die beiden weißen Hirschkühe das Familienoberhaupt nicht stören, bedrängt er die braune. „Wir befürchten, dass er sie verletzen könnte“, erklärt der Wildgehege-Chef.

Eigentlich sollte auch der Elch am Dienstag entmannt werden, nachdem er am Wochenende mit seinem Schaufelgeweih eine Elchkuh tödlich verletzt hatte. Die Tierärzte mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Bulle hatte es sich zu weit entfernt im Gehege gemütlich gemacht. Gerbert hätte ihn mit dem Gewehr nicht erreicht. Das Gehege zu betreten, ist zu gefährlich. Es kann sein, dass die Elchkuh bereits gedeckt ist und nun Ruhe einkehrt. „Oder wir probieren es später noch einmal mit der Narkose“, so Ennersch.

Vor der nächsten Brunft sollen sogenannte Hochzeitsgänge in den Gehegen aufgebaut werden. Das sind Zäune oder Pfosten mit schmalen Lücken, durch die nur die Kühe passen. Dahinter haben sie dann ihre Ruhe vor den röhrenden Hirschen. „In der Tierhaltung und im Bestand muss einiges geändert werden“, kündigt Ronald Ennersch an.

Das beginnt beim Futter. Schon seit einer Weile gibt es für die Besucher keine Futtertüten mehr zu kaufen. In den nächsten Tagen sollen jedoch Automaten vor ausgewählten Gehegen aufgestellt werden. Zusätzlich stehen davor Kisten mit Obst und Gemüse, das die Besucher verfüttern dürfen. Aus falsch verstandener Tierliebe landeten im Anhänger auf dem Parkplatz öfter die falschen Sachen. Neben Waldfrüchten warfen viele Obst und Brot mit rein. Das gammelte dann. „Wir nehmen weiterhin gern Kastanien, Eicheln und Nüsse. Die können in Kisten oder Säcken an der Kasse abgegeben werden“, sagt Ennersch. Ein wichtiger Punkt ist die Reduzierung des Tierbestandes. „Beim Rotwild waren zum Beispiel 40 Stück auf zehn Hektar, darunter zwölf Hirsche.“ Zur Paarungszeit gab es da harte Rangkämpfe. In der freien Natur würden sich die Tiere aus dem Weg gehen, im Wildgehege stehen sie in dieser Zeit unter Stress. Sie beschädigen Zäune und verletzen sich gegenseitig. Deshalb gibt es beim Rotwild nur noch fünf Hirsche. „Uns geht es um einen gesunden Tierbestand, dem Lebensraum angepasst. Das sind wir den Tieren schuldig“, so Ennersch.

Zum Beispiel den geweihlosen weißen Hirsch. „Der schläft jetzt erst einmal seinen Rausch aus. Und wenn er wach wird, wird er sich wie nach einer durchzechten Nacht fühlen“, erklärt Hans-Michael Gerbert. Aber das Geweih wächst ja wieder nach. Und das alte kommt mit ins Forsthaus Kreyern für die waldpädagogische Arbeit.

Am 3. Oktober wird im Wildgehege ein Familienfest gefeiert. Von 10 bis 17 Uhr gibt es eine Hüpfburg, Schminken, Ponyreiten und es kann gebastelt werden. Alle Kinder bis zwölf Jahre haben freien Eintritt.