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Haube und Hütchen

Ohne Kopfbedeckung ging man früher nicht aus dem Haus. Eine Ausstellung in Radeberg widmet sich dem leichten, leicht vergänglichen Strohhut.

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© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennnig

Suchbild: Finde den Kopf ohne Hut! Aber das ist nahezu unmöglich auf dieser Fotografie aus dem frühen 20. Jahrhundert. Irgendeine Straße, irgendwo in Deutschland, in Europa, in Nordamerika. Mann trägt Hut. Frau ebenso. Und auch bei Kindern aller Altersklassen ist eine Kopfbedeckung aus Filz, Wolle oder Bast üblich. Oder eben aus Stroh. Genäht aus Flechtstreifen, die ursprünglich auf dem Land in Handarbeit hergestellt wurden: „Wo man Stroh hatte und die Hüte brauchte als Schutz gegen die Sonne bei der Feldarbeit“, sagt Patrick-Daniel Baer, Ausstellungs- und Sammlungsleiter im Museum Schloss Klippenstein in Radeberg.

Dort widmet sich die Ausstellung „Gut behütet“ dem Kopfputz im Allgemeinen und der Radeberger Strohhutfabrikation im Besonderen. Auch das erwähnte Hutfoto ist in der Schau zu sehen. Bis zu zehn Fabriken und Manufakturen produzierten in Radeberg. Der Ort hatte sich nach dem Anschluss ans Eisenbahnnetz 1845 rasant zu einem Industriezentrum entwickelt. Den Fabrikanten wurde es jedoch bald zu laut und zu schmutzig. Mancher ließ weiter in Radeberg produzieren, lebte aber selbst auf dem Weißen Hirsch in Dresden oder im beschaulichen Langebrück.

Bis zu 1,5 Millionen Hüte jährlich fertigte die größte der Radeberger Firmen, Wagawa und Crönert. In den kleineren Betrieben konnten es um die 100 000 gewesen sein. Übrig blieb davon nicht mehr als eine Vitrine voll von schwarzen, hell- und dunkelbraunen Strohhüten. Produktionsreste der letzten Radeberger Strohhutfabrik, die 1950 schloss. Der Kopfputz war ein Modeartikel und wurde regelmäßig gegen das neueste Modell ausgetauscht. Langlebig waren die Zierden aus Stroh auch nicht. Sie gingen kaputt, sie wurden entsorgt. Dass sie einmal historisch bedeutsam sein könnten, dachte sich vor 100 Jahren niemand. Und so verschwand in der Zeit nach dem Ersten und bis nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Industriezweig auch das, was er geschaffen hatte, fast vollständig. Bernd Rieprich, er gehört zur Arbeitsgruppe Stadtgeschichte Radeberg, hat sich bereits für eine Dauerausstellung im Schloss Klippenstein intensiv mit der Industriegeschichte seiner Heimat befasst und sich nun dem Strohhut gewidmet.

Auch Schuhe

Um Strohhüte in Sachsen und der Welt geht es anhand von Exponaten aus der Exposition „Stroh zu Gold“, die vor einer Weile in Moritzburg präsentiert wurde. Zu sehen sind Modell von der Haube, der sogenannten Schute, bis hin zum elegant-bunten Hütchen mit schmaler Krempe. Oder bis zum Strohschuh, mit dem sich Hersteller über die mageren Jahre nach dem Krieg retteten, als niemand Geld für Hüte hatte. Aufgegriffen wird auch das dunkle Kapitel der Kinderarbeit. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war sie üblich. Schon Vierjährige wurden in Strohgeflechtschulen ausgebildet. In einem Musterkoffer für Flechtstreifen, den die Schau zeigt, werben die Hersteller mit dem Alter der kleinen Arbeiter – sieben, acht, neun oder zehn Jahre waren sie jung.

Ausstellung „Gut behütet“ bis 3. Oktober im Schloss Klippenstein Radeberg. Geöffnet Di – Fr 9 – 12 Uhr/13 – 17 Uhr; Sa, So; Feiertage 11 – 17 Uhr.