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Häusliche Gewalt gegen Männer

Häusliche Gewalt an Männern ist ein wenig beachtetes Thema. In Plauen hilft ein neu gegründeter Verein den Opfern. Der Bedarf ist groß. Sachsen sieht sich in einer Vorreiterrolle.

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© Monika Skolimowska / dpa

Plauen. Es kann harmlos anfangen. Mit kleinen Machtspielchen, psychischem Druck oder Erpressungen. Manchmal soll der Mann den Kontakt zu anderen abbrechen. Schließlich kommen körperliche Verletzungen hinzu. Dass Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden, finde in der Öffentlichkeit kaum Beachtung, sagt Tami Weissenberg. „Betroffene schämen sich sehr, aber beide Geschlechter können zu Tätern werden.“

Der Mann weiß, wovon er spricht. Tami Weissenberg ist ein Deckname, seine Identität will er nicht öffentlich preisgeben. Er habe Schlimmes erlebt, sagt der Mittdreißiger. In Plauen hilft sein Verein Weissenberg seit diesem Jahr Männern, die psychischen oder physischen Misshandlungen ausgesetzt sind, meistens in der Partnerschaft, aber auch im Job, in der Pflege oder allgemein in der Familie.

Zwölf Mitglieder arbeiten verdeckt. „Sonst ist keine geschützte Arbeit möglich“, sagt der Initiator. Zum Netzwerk gehören Juristen und Therapeuten. Die betroffenen Männer bekommen Beratung und Hilfe, auch bei Behördengängen.

Los ging es in Plauen vor einem Jahr als private Initiative. Inzwischen gibt es eine Schutzwohnung. „Wir werden wirklich dringend gebraucht. Den Männern können wir sagen: Hier hast du einen Zufluchtsort, wo du sicher bist und keine Gewalt erleben musst.“ Enger Kontakt bestehe zu Hilfseinrichtungen für Frauen. Außerdem helfe der Verein Opfern aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Auch hier könne ein Mann Gewalt ausgesetzt sein.

In den sächsischen Beratungsstellen für Opfer von häuslicher Gewalt steige die Zahl von Männern, die diese Hilfe in Anspruch nähmen, erklärt das Sächsische Gleichstellungsministerium. Nach Angaben des Landeskriminalamts gab es 2016 in Sachsen 3935 weibliche und 1693 männliche Opfer von häuslicher Gewalt.

Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD) geht von einer hohen Dunkelziffer aus. „Wir müssen die Hilfsangebote für Männer öffnen. Bei ihnen ist die Hemmschwelle, sich als Opfer zu outen, besonders hoch.“ Ihr Ministerium fördert bereits seit dem vorigen Jahr zwei Männerschutzwohnungen in Dresden und Leipzig mit je drei Plätzen als Pilotprojekte.

Gleichzeitig unterstützt es die Landesfachstelle für Männerarbeit und deren Kampagne „Mann gib dich nicht geschlagen“, der sich auch der Plauener Verein angeschlossen hat. „Wir wollen damit männliche Opfer von häuslicher Gewalt motivieren, Hilfsangebote wahrzunehmen“, erklärt Köpping.

In Dresden zieht man nach über einem Jahr Männerschutzwohnung eine positive Bilanz. Der verantwortliche Verein Männernetzwerk Dresden sieht einen bundesweit hohen Bedarf. „Die Männer kommen nicht nur aus unserer Stadt, sondern aus ganz Deutschland“, berichtet Projektkoordinator Torsten Siegemund.

Deutschlandweit gebe es nur fünf Schutzeinrichtungen für Männer, Sachsen übernehme eine Vorreiterrolle. „Andere Bundesländer informieren sich bei uns“, sagt Siegemund weiter. Und Köpping ergänzt: „Die sächsische Staatsregierung ist die erste, die Männerschutzwohnungen fördert.“ Neben dem Dresdner Männernetzwerk und dem Plauener Verein Weissenberg hat in Leipzig der Verein Lemann die Betreuung der Opfer übernommen.

Warum wehrt sich ein Mann nicht, irgendwie, wenn er in der Partnerschaft körperlich angegriffen wird? Tami Weissenberg hört die Frage oft. „Abhängigkeiten spielen eine Rolle oder Kinder. Womöglich hat man Angst, diese nie wieder zu sehen“, sagt er. Manche Frau drohe: „Schlag doch zurück, dann gehe ich zur Polizei, und du wirst nicht mehr froh im Leben.“

Wenn Tami Weissenberg von seiner früheren Ehe spricht, erzählt er von Verletzungen und Krankenhaus-Aufenthalten. „Männer gehen damit oft anders um als Frauen, ziehen sich zurück und ertragen. Im öffentlichen Bewusstsein ist der Mann der Starke.“ Seine Erlebnisse hat er in einem Buch verarbeitet, das in den nächsten Wochen erscheint. Und er hofft auf mehr Anlaufstellen. „Im Raum Chemnitz und Mittelsachsen gibt es noch überhaupt keine Hilfen.“ (dpa)