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Giftstoffe im Klassenzimmer

Messungen haben hohe Naphtalin-Werte in der Grundschule Zeithain ergeben – kein Einzelfall in öffentlichen Gebäuden.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Zeithain. Es ist eine DDR-Altlast, die der Gemeinde Zeithain derzeit Kopfzerbrechen bereitet. Die alten Teerplatten, die in den 1960ern als Feuchtigkeitssperre in den Fußböden der Grundschule verbaut worden, dünsten jetzt Naphthalin aus. Ein Stoff, der Kopfschmerzen und Übelkeit auslösen kann und im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Und der vor allem unangenehm stinkt.

Der Geruch fiel zuletzt auch dem Gesundheitsamt des Landkreises Meißen bei einer Routinekontrolle auf, dass daraufhin die sächsische Landesuntersuchungsanstalt um Messungen in zwei Klassenzimmern bat. Das Ergebnis: Mit 33 und 69 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden die Grenzwerte zum Teil deutlich überschritten. Trotzdem sind keine Gesundheitsgefährdungen zu erwarten, es ist „keine unmittelbare Gefahr im Verzug“, heißt es von der Behörde. Sie empfiehlt allerdings ein „stringentes Lüftungsregime“. Zudem soll die Gemeinde nach den Ursachen für die Belastung suchen und einen Bausachverständigen hinzuziehen. – „Ich lasse da keine Luft ran“, kündigte Zeithains Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos) an. Die Eltern und der Ältestenrat wurden bereits über die Ergebnisse der Messungen informiert und ein Ingenieurbüro herangezogen.

Das führt derzeit Bodenproben in allen Räumen der Grundschule durch. In spätestens zwei Wochen werde feststehen, ob tatsächlich beide Schulflügel betroffen und welche Zimmer konkret belastet sind. Danach müsse man entsprechende Baumaßnahmen in Angriff nehmen. „Vom Grundsatz her muss der Boden raus“, sagte Ralf Hänsel. Wie das organisatorisch und finanziell zu handhaben sei, müsse man erst noch besprechen. Zumal der Abbruch von belastetem Material noch einmal gesonderte Anforderungen stelle.

Naphthalin stinkt nach Teer

Naphthalin hat einen typischen Geruch nach Teer oder Mottenkugeln, der Stoff gilt als krebsverdächtig.

Die Richtwerte für Innenräume liegen bei 10 Mikrogramm – als Vorsorgewert und Zielwert bei Sanierungen – beziehungsweise 30Mikrogramm: Ab dieser Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung auftreten.

Belastbare Studien zur Auswirkung des Stoffes auf den Menschen gibt es nicht. Grundlage für die Richtwerte sind Experimente an Ratten und Mäusen, die einer mehr als hundertfachen Konzentration der Richtwerte ausgesetzt waren und dabei Schäden an der Nasenschleimhaut davontrugen.

Quelle: Umweltbundesamt

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Bis dahin könnten die Eltern ihre Kinder aber entspannt in die Schule bringen, „das würde ich auch tun“, betont der Bürgermeister. Eine Gefahr bestehe für die Kinder nicht, sie müssten sich höchstens mal eine Jacke überziehen. Denn seit Bekanntwerden der Ergebnisse werde bereits verstärkt auf regelmäßiges Lüften geachtet – weshalb die Werte aus den Messungen zurzeit sowieso unterschritten werden, ist Ralf Hänsel überzeugt. Wenn es aufgrund der Werte aber vom Gesundheitsamt hieße, die Schule muss geräumt werden, „dann würden wir das sofort tun.“ Mit dem neuen Hort, dessen Bau sich langsam dem Ende neigt, habe man schließlich ein Ausweichquartier parat.

Vorgekommen ist das Problem deutschlandweit schon öfter – in Grundschulen in Pirna oder Bad Dürrenberg, im sächsischen Justiz- oder thüringischen Umweltministerium. Denn früher wurde Naphtalin nicht nur in Mottenkugeln verwendet, sondern steckt auch in Parkettklebern, Dachpappen oder Holzschutzmitteln. Wie auch in der Grundschule Zeithain wurden die alten Materialien oft auch bei einer Sanierung nicht entfernt. „Es gab keinen Grund dazu“, sagt Bürgermeister Hänsel. Schließlich war Naphthalin 2009 noch kein großes Thema. 2003 legte das Umweltbundesamt überhaupt erst einen Richtwert fest. Seitdem gab es zwar diverse Stichprobenuntersuchungen, und im Schnitt soll in jeder sechsten Naphthalin auftauchen – doch gezielt untersucht wird eigentlich nur, wenn es anfängt zu stinken.