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Forscher fürchten Beben um Leipzig

Verwerfungen unter der Region Leipzig-Halle könnten laut einer neuen Studie auch zu Schäden an Gebäuden führen.

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© -/Italian Civil Protection Depar

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Kurz nach den erneuten Schwarmbeben im Vogtland schlägt ein Team ostdeutscher Forscher jetzt Alarm: In der mitteldeutschen Metropolregion Leipzig–Halle mit mehr als einer Million Menschen seien in Zukunft Erdbeben möglich, die zu ernsthaften Schäden führen könnten.

Großräumige geologische Verwerfungssysteme zwischen Halle und Leipzig, die die gesamte Erdkruste durchziehen und bisher nicht als aktiv eingestuft wurden, könnten künftig durch Erdbeben reaktiviert werden. So würden Beben wie das von Roermond im niederländisch-deutschen Grenzgebiet im April 1992 mit etlichen Verletzten und erheblichen Sachschäden in der Leipziger Bucht zu ähnlich starken Bewegungen und Schäden führen. „Auf solche Ereignisse sind wir nicht gut vorbereitet“, sagt Sigward Funke, Leiter der Erdbebenüberwachung an der Universität Leipzig. Die Wissenschaftler mahnen daher mehr Forschungen, verstärkte Beobachtungen und ein engmaschigeres Netz an Messstationen an, um mögliche Konsequenzen zu reduzieren.

In Schränken vibrierten die Gläser

Dem Team von Wissenschaftlern unter Federführung des Deutschen Geo-Forschungs-Zentrums (GFZ) in Potsdam gehören Geophysiker der Universität Leipzig, des Landesamts für Geologie und Bergbau in Halle sowie Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover (BGR) an. Sie untersuchen verschiedene Szenarien für Schadensbeben. In ihrer aktuellen Studie haben sie mithilfe neuer Methoden die Ursache von ungewöhnlich tiefen Erdbeben in der Region Leipzig-Halle 2015 und 2017 analysiert. Dabei war es ihnen erstmals möglich, Details der Bruchmechanik der schwachen Beben zu erkennen und in einen Zusammenhang zu setzen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin Journal of Seismology veröffentlicht. 2015 und 2017 gab es zwei kleinere Erdbeben jeweils mit einer Magnitude von ungefähr 3. Sie waren zwischen Halle und Leipzig von der Bevölkerung in bis zu 50 Kilometern Entfernung zum Epizentrum spürbar: In Leipzig klirrten Gläser in manchen Schränken, Wohnungswände vibrierten. Besorgte Bürger riefen reihenweise bei Polizei und Feuerwehren an. Schäden wurden damals aber noch nicht registriert. Die zwei Erdbeben waren jedoch die bisher stärksten aufgezeichneten Beben nördlich der Erdbebenzone zwischen dem Vogtland und Gera. Sie hatten ihren Ursprung in ungewöhnlicher Tiefe – 22 bis 29 Kilometer unter der Erdoberfläche. „Erdbeben in dieser Tiefe beunruhigen uns Seismologen“, sagt Erdbebenforscher Funke. „Sie geben Hinweise auf größere Verwerfungen.“ Die Gefahr von stärkeren Erdbeben steige damit.

„Bei der Untersuchung der Bruchmechanik der Beben von Halle und Leipzig haben wir erstmals neue Verfahren eingesetzt, die wir am Geo-Forschungs-Zentrum speziell für die Auswertung schwacher Beben entwickelt haben“, erklärt Torsten Dahm, Leiter für Erdbeben und Vulkanphysik in Potsdam. „Dies hat gezeigt, dass beide Beben sehr wahrscheinlich auf derselben Bruchfläche nur wenige Kilometer voneinander entfernt aufgetreten sind.“ Die Forscher sehen daher durchaus die Möglichkeit, dass Teile der Bruchzone zwischen den bisherigen Ereignissen in Zukunft brechen könnten.