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Fischsterben nach Chemie-Havarie

Der Schwarze Schöps ist in dem Reichenbacher Ortsteil Oehlisch stellenweise tot. Für den Stausee Quitzdorf gibt es vorerst Entwarnung.

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© Rolf Ullmann

Von Constanze Junghanss

Oehlisch. Aufatmen bei Gunther Ermisch, dem Pächter des Quitzdorfer Stausees. Den Fischen in der Talsperre geht es bisher gut. Sie haben durch die Havarie am Sonnabend bei der Baywa in Reichenbach keinen Schaden erlitten. Im Schwarzen Schöps, der in den Stausee mündet, und in anderen Zuleitungsgewässern zum Fluss sieht das aber anders aus. Etliche Fische sind dort verendet.

Auf dem Firmengelände an der Paulsdorfer Straße in Reichenbach sind am Sonnabendmorgen beim Betanken eines Spritzmittelfahrzeugs rund 200 Liter Flüssigkeit ausgelaufen. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Wasser und einem halben Liter „Cantus Gold“, einem Fungizid. Das bestätigt Thomas Berger, Pressereferent der Baywa AG mit Sitz in München, gegenüber der SZ. „Wir bedauern den Vorfall in Reichenbach und haben das Ereignis zum Anlass genommen, die Mitarbeiter nochmals zu schulen“, teilt er mit.

Eine Schulung habe es in diesem Jahr bereits gegeben. Mit den zuständigen Behörden stünde man in ständigem Kontakt. Die Untere Wasserbehörde vom Landkreis nahm Wasserproben und benachrichtigte die am Schwarzen Schöps anliegenden Teichbetreiber. Bei der Polizei in Görlitz gingen am Tag nach der Havarie mehrere Meldungen von Anwohnern ein, die von einem plötzlichen Fischsterben berichteten. Die Beamten fanden zahlreiche verendete Fische im Schwarzen Schöps bei Oehlisch vor. Eine genaue Zahl kann Polizeisprecherin Martyna Fleischmann aber nicht nennen. Die Polizeibeamten zählten die toten Tiere schlicht weg nicht.

Zahlen hat jedoch der Anglerverband Elbflorenz Dresden parat. Er ist Fischereipächter am Schwarzen Schöps. Mindestens 100 tote Fische registrierten die Angler nach Auskunft von Peter Kluß, Mitarbeiter für die Gewässerwirtschaft. Und das auf einem Abschnitt im Ort Oehlisch bei Reichenbach, der rund einen Kilometer lang war. „Zehn bis 30 Zentimeter große Bachforellen und die auf der Roten Liste stehende Kleinfischart Bachneunauge wurden tot aufgefunden“, sagt er.

Doch nicht nur die Fische sind betroffen. Ein Gewässer wie der Schwarze Schöps reagiert auf Änderungen sensibel. Vom Bachflohkrebs bis zur Wasserschnecke sei jetzt alles abgestorben. „Mindestens ein halbes Jahr braucht es, bis sich der Fluss wieder halbwegs erholt“, so Kluß. Der Bestand an Bachforellen wird noch länger benötigen. Alle Jahrgänge des Fischs sind auf dem Abschnitt „ausradiert“, wie er sagt. Ab Döbschütz wurden laut dem Dresdner Verband keine toten Fische mehr gefunden. Im Flusslauf ab Meuselwitz scheint es ebenfalls keine Fischkadaver angeschwemmt zu haben. Anwohnern fiel in den vergangenen Tagen diesbezüglich nichts auf. Einer davon ist Wolfgang Machen. Er zeigt auf die Libellen und Wasserläufer: „Hier ist zum Glück wohl alles in Ordnung“, stellt er fest. Auch die Wasserschnecken vom Grund bewegen sich. „In den 1950er Jahren gab es schon einmal einen Unfall in der ehemaligen chemischen Fabrik in Reichenbach“, erinnert er sich. Damals setzte ebenfalls ein großes Fischsterben ein.

Die Baywa-Zentrale hat umgehend reagiert. Am Montagmorgen vor Arbeitsantritt erfolgte eine Information und vorsorgliche und wiederholte Belehrung der mit Spritzarbeiten betrauten Mitarbeiter. Einen ähnlichen Vorfall habe es in der Vergangenheit noch nie gegeben, sagt Thomas Berger. „Wir sind gerade dabei, den genauen Hergang des Vorfalls zu rekonstruieren.“ Auch die Kriminalpolizei ermittelt. Die Reichenbacher Firma hatte am Sonnabend sofort die Feuerwehr informiert. Die jedoch konnte nichts mehr machen, da die Flüssigkeit bereits ausgelaufen und über den Regenwasserkanal in den Lohegraben bis ins Reichenbacher Wasser und weiter in den Schwarzen Schöps gelaufen war. Der Baywa-Mitarbeiter selbst hatte umgehend erste Sicherungsmaßnahmen mit Bindemitteln veranlasst, konnte den Eintritt des Gemischs in die Kanalisation aber nicht mehr verhindern und informierte die Rettungsleitstelle.

„Nach unseren Informationen liegt keine Gefährdung von Trinkwasser oder von Wasser vor, das für die Trinkwasserproduktion verwendet wird, so Berger. Eine Gefahr für Menschen sei nach Auskunft des Produktherstellers nach aktuellem Wissensstand unwahrscheinlich. Grundsätzlich nehme die Baywa solch einen Vorfall zum Anlass, sämtliche Möglichkeiten weiterer Maßnahmen zu prüfen, um solche Fälle für die Zukunft auszuschließen.

Ob die verendeten Fische mit dem ausgelaufenen Pflanzenschutzmittel zusammenhängen, wird Teil der weiteren polizeilichen Ermittlungen sein. Momentan kann das weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.