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Familie Thiere Zuhause im Glück

Emotionen und Volksfeststimmung garantiert: Nach achttägiger Bauzeit übergeben die Fernsehleute das Haus in Bauda.

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Bohren, Sägen, Hämmern. Im Großenhainer Ortsteil Bauda ist um kurz nach zwei Uhr mittags an diesem Donnerstag noch alles beim Alten. Dass in einer guten Stunde das momentan bekannteste Haus Sachsens an seine rechtmäßigen Eigentümer übergeben werden soll, scheint unvorstellbar. „Die sind ja noch voll am Machen“, befindet Kerstin Kerstan erstaunt und stellt sich trotzdem schon mal vorsorglich in Positur. Rechtzeitiges Kommen wird in der nächsten Stunde beste Plätze sichern. Die Zabeltitzerin ist ein großer Fan der RTL II-Sendung „Zuhause im Glück – Einzug in ein neues Leben“ und weiß aus den inzwischen mehr als 200 ausgestrahlten Folgen, dass in kürzester Zeit noch mehr Zaungäste eintrudeln können.

Auch sie fiebern der Ankunft der Familie entgegen: Die beiden Architekten Eva Brenner und Mario Bleiker.
Auch sie fiebern der Ankunft der Familie entgegen: Die beiden Architekten Eva Brenner und Mario Bleiker. © Anne Hübschmann
Bis zuletzt wurde am Donnerstagnachmittag geschuftet: Universalgenie Matti Sommer schleppt den Müll raus.
Bis zuletzt wurde am Donnerstagnachmittag geschuftet: Universalgenie Matti Sommer schleppt den Müll raus. © Anne Hübschmann
Die Laune von Deutschlands bekanntesten Handwerkern ist auch nach ach Tagen Schwerstarbeit ungetrübt.
Die Laune von Deutschlands bekanntesten Handwerkern ist auch nach ach Tagen Schwerstarbeit ungetrübt. © Anne Hübschmann

All jene, die schon da sind, stehen gewissermaßen in der ersten Fernsehreihe. Sie sehen wie Sanitärinstallateur Manuel „Manolo“ Novak eifrig Pakete schleppt und Universalgenie Matti Sommer noch Müll aus dem Grundstück räumt. Beinah andächtig beobachten die Schaulustigen wie Bauleiter Wolfgang Hesemann den großen Container über die Menge hinweg aus dem Garten befördert. „Das ist so geil! Ich fasse es nicht, die sind alle da“, kreischt die 15-jährige Lisa und macht das zigste Handyfoto. Im 400-Einwohnerdorf bei Großenhain herrscht unverkennbar Volksfeststimmung – RTL II sei dank.

Immerhin: Acht Tage lang wurde in dem dreistöckigen Haus mit der Nummer 4a in einer etwas versteckt gelegenen Sackgasse inmitten des Ortes hinter verschlossenen Türen gewerkelt. Unzählige Lastwagen quetschten sich durch die Straße, Autogrammjäger drückten sich die Nase am Zaun platt, um einen Blick auf Deutschlands bekannteste zwölf Handwerker um Innenarchitektion Eva Brenner zu erhaschen. „Am Wochenende war hier schon ganz schön was los! Die Bauarbeiter haben uns nicht gestört. Aber diejenigen, die wegen der Fernsehleute gekommen waren, sind schon nervig gewesen“, bekennt Birgit Diemer und lacht. Die 48-Jährige hat sich mit ihrem kleinen Auto gerade erfolgreich einen Weg durch die Menge gebahnt. Gemeinsam mit Mann und zwei Kindern wohnt sie im Haus gegenüber. „Wir freuen uns sehr für Familie Thiere. Die haben so einen Kummer mit ihrer Tochter. Sie haben es mehr als verdient“, sagtt Diemer und hält nach den Nachbarn Ausschau.

Doch noch muss sie sich gedulden. Es ist kurz vor dreiviertel drei. Immer mehr Menschen finden sich ein. Frauen, Männer, Familien mit Kindern, wild gestikulierende Teenager. Es scheint, als würde an der Hauptstraße ein Reisebus voller Touris ausgekippt worden sein. „Da! Da ist sie“, tönt es aus der Menge und die Handys verrichten ihre Arbeit. Sie, das ist Architektin und Moderatorin Eva Brenner. Die 41-Jährige hängt im ersten Stock scheints seelenruhig die Gardinen auf. Der Countdown läuft, um 15 Uhr soll Familie Thiere eintreffen.

Mit etwas Glück können die Schaulustigen jetzt sogar einen Blick ins frisch renovierte Haus erhaschen. Katja Wiedner und ihr Reinigungs-Trupp kommen geschafft, aber strahlend aus der Eingangstür. Seit Mittwochnachmittag haben sie nach eigenem Bekunden die Putzlappen geschwungen. Nun ist es vollbracht. Kein Wort indes darüber, was die fleißigen Damen im Inneren gesehen haben. Wie die fünf umgebauten Räume nebst Fluren inclusive Dachgeschoss ausschauen. Katja Wiedner kennt die Gepflogenheiten des Senders – und hält sich dran. Die Neugierigen hier in Bauda und die Zuschauer vor den Bildschirmen – mit durchschnittlich drei Millionen Zuschauern ist die Serie die erfolgreichste Renovierungssendung Deutschlands – werden erst im Herbst durch die neu hergerichteten vier Wände geführt.

Allerdings: Die enthusiastischen Fans in Bauda sind sich sicher, dass der Umbau auch bei Familie Thiere geglückt ist. Mehr als 200 Häuser hat das eingespielte Handwerkerteam schließlich seit dem Start des Doku-Formats im Jahr 2005 renoviert und getreu dem Motto der Sendung, ebenso viele Menschen glücklich gemacht. Durch einen Schicksalsschlag in Not geratene Familien, die keine Kraft dafür haben, selbst den Umbau ihres Eigenheims zu stemmen.

Eine leidvolle Geschichte, wie sie das Leben auch Familie Thiere zugedacht hat. Mit ihrem nunmehr fünf Jahre alten Jungen Lukas waren Juliane und Alexander vor gut drei Jahren in das Haus aus den 1930er Jahren eingezogen. Schon bald kündigte sich das zweite Kind an. Was das junge sympathische Paar noch nicht ahnen konnte: Ihre inzwischen 15 Monate alte Tochter Zoe würde unter großer Sauerstoffarmut zur Welt kommen. Die Folgeschäden sind schmerzlich. Auch während der Dreharbeiten waren Vater und Tochter in der Klinik. „Deshalb sind wir dem Sender unheimlich dankbar, was sie innerhalb kürzester Zeit für unsere Kinder getan haben“, sagt Bärbel Thiere und strahlt übers ganze Gesicht.

Und dann ist es tatsächlich so weit. Dann gibt Fernsehmann Henno Osberghaus das Signal: „Sie kommen!“ Die Menge tut das, was sie jetzt tun soll. Bravo-Rufe erschallen, es wird geklatscht, was die Hände hergeben. Es ist der emotionalste Moment, der tatsächlich nur einmal mit der Kamera eingefangen werden kann. Im historischen Feuerwehrauto „Atze“ der Stadt Großenhain fahren Juliane, Alexander, Lukas und die kleine Zoe vor. Die Vier sind wieder Zuhause, Zuhause im Glück in Bauda.