Merken

Erzieher statt arbeitslos

Über ein Förderprogramm können sich Langzeitarbeitslose zu Erziehern umschulen lassen. Ein Heilmittel gegen den Erziehermangel?

Teilen
Folgen
© dpa/Arno Burgi

Von Theresa Hellwig

Dresden. Arbeit, keine Arbeit, Arbeit, keine Arbeit – für Simone Dyballa* war die Zeit vor ihrer Umschulung nervenaufreibend. Lange arbeitete sie in der Werbebranche. Als ihre Firma Insolvenz anmeldete, begann die Phase, die ihr an die Substanz ging. Über das Internet wurde sie dann aber auf das Programm „JobPerspektive“ aufmerksam. Sie entschied, sich zur Erzieherin umschulen zu lassen. Seit etwa zwei Jahren lernt sie deshalb wöchentlich 35 Stunden in der Fachschule der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in Dresden. Neun weitere ehemalige Arbeitssuchende lassen sich in ihrer Klasse im Rahmen des Projekts umschulen. Gefördert werden sie dabei durch den Europäischen Sozialfonds (ESF), das Jobcenter und die Arbeitsagentur.

466 Langzeitarbeitslose lassen sich derzeit an 16 Ausbildungsinstituten im Rahmen der Maßnahme umschulen. Im Sommer absolvieren die ersten ihre Prüfung. Drei Jahre dauert die Umschulung zum staatlich anerkannten Erzieher. Lange Zeit konnte diese nicht gefördert werden. Die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres war nicht geklärt; seit 2015 wird sie durch das Programm sichergestellt.

„Projekte wie dieses können dem Fachkräftemangel entgegnen“, erklärt Astrid Axmann, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW). Während vor zehn Jahren noch weit über 1 000 Bewerbungen auf 175 freie Arbeitsstellen kamen, standen laut sächsischer Arbeitsagentur im vergangenen Jahr deutlich weniger arbeitslose Fachkräfte deutlich mehr offenen Stellen gegenüber: 392 arbeitslose Pfleger kamen 2017 auf 522 freie Stellen. Trotz des Fachkräftemangels ist es „wichtig, dass getestet wird, ob der Beruf zu den Auszubildenden passt und ihnen der Umgang mit Kindern Spaß macht“, betont Axmann. Eine Eignungsprüfung, IQ-Tests, Gespräche mit Psychologen und dem Arbeitsamt: Um herauszufinden, ob eine solche Umschulung zu ihr passt, musste Dyballa viele Gespräche führen und Tests durchlaufen.

„Der Bedarf an Erziehern wird immer größer“, weiß Simone Herzler, Schulleiterin der Fachschule der DAA in Dresden. „Auch private Träger von Kinder- und Jugendeinrichtungen sprechen uns immer häufiger an und fragen nach unseren Absolventen.“ Aus dem aktuellen Abschlussjahrgang „haben deshalb schon die meisten Absolventen ihre Arbeitsverträge vorliegen“, berichtet Herzler.

Insgesamt etwa neun Monate verbringen die Auszubildenden in den drei Jahren als Praktikanten in Kitas, Krippen, im Hort, in der Jugendarbeit oder in der Förderschule. Dabei können sie herausfinden, wo sie zukünftig arbeiten möchten. Dyballa hat für sich herausgefunden, dass sie ihre Zukunft an einer Förderschule sieht. „Dabei dachte ich vorher, dass ich eher in Richtung Kita gehen möchte“, erzählt sie. Mit Begeisterung ist sie bei der Sache, wie sie sagt – aber noch einmal die Schulbank zu drücken, das ist nicht leicht. „Das viele Lernen wird nicht einfacher, wenn man älter wird“, erzählt die 38-Jährige. Gelernt hat sie vor allem, Hilfe anzunehmen. „Um ruhig lernen zu können, muss man auch mal die eigenen Kinder eine Weile abgeben können“, sagt sie.

Wie es mit dem Projekt weitergeht, ist ungewiss: Im Sommer wird ein vorerst letzter Jahrgang seine Umschulung zum Erzieher starten. Dann endet die Förderung durch den ESF. „Angesichts des hohen Bedarfs an Erziehern plant die Staatsregierung, die Maßnahme um mindestens ein Jahr zu verlängern und prüft weitere Unterstützungsmöglichkeiten“, heißt es vom sächsischen Wirtschaftsministerium.

* Name von der Redaktion geändert.