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Endrunde beim Bieterverfahren

Die Verkaufsverhandlungen für den insolventen WBN Waggonbau Niesky scheinen sich weiter zu verdichten. Am Donnerstag gab es Besuch aus drei Ländern.

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© Wolfgang Wittchen

Von Thomas Staudt und Ulrich Wolf

Niesky. Die offenbar wichtigsten Kaufinteressenten haben sich am Donnerstagnachmittag einen Überblick über die Produktionsbedingungen im insolventen WBN Waggonbau Niesky verschafft. Das legen zumindest die Kennzeichen der vor dem Werkstor geparkten Limousinen nahe – und ein Detail, das künftig an Bedeutung gewinnen könnte. Neben zwei Fahrzeugen mit slowakischen Nummernschildern parkten dort Autos mit tschechischen und westdeutschen Kennzeichen. Nur wenige Schritte vom Werkstor entfernt wehten einmütig nebeneinander die Flaggen des Waggonbau und des Freistaats im Verbund mit einer chinesischen Fahne. Eine offizielle Bestätigung der Werksbesichtigung gab es gestern nicht.

Am Vortag hatte Insolvenzverwalter Jürgen Wallner jedoch eingeräumt, dass das Bieterverfahren noch in vollem Gange sei. Er war damit Gerüchten aus Branchenkreisen entgegengetreten. Darin war von einem unmittelbar bevorstehenden Verkauf an den Staatskonzern China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) die Rede. Ansonsten hielt sich Wallner bedeckt. Ganz offenbar aus strategischen Gründen wollte er nicht einmal die Zahl der Interessenten nennen, die gegenwärtig noch im Rennen sind. Anfang des Jahres waren es 45 Gesellschaften aus Europa und Übersee, die entweder aus finanziellen oder strategischen Gesichtspunkten heraus Überlegungen anstellten, das insolvente Nieskyer Werk aufzukaufen. Ende März dann hatte sich ihre Zahl bereits auf 13 reduziert. In den letzten Tagen verdichteten sich die Anzeichen dahingehend, dass vor allem drei potenzielle Käufer weiterhin am Waggonbau interessiert sind. Neben der China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) waren auch der tschechische Waggonhersteller Legios Loco sowie Tatravagonka aus der Slowakei im Gespräch.

Die Insolvenz des WBN Waggonbau Niesky war unmittelbar nach dem Jahreswechsel bekannt, das Insolvenzverfahren am 1. März eröffnet worden. Parallel dazu läuft die Produktion weiter. Alle Beteiligten räumen dem Unternehmen beste Chancen ein – angefangen beim Insolvenzverwalter, über den Betriebsrat bis hin zur Gewerkschaft IG Metall. Positiv wurde dabei stets bewertet, dass die Auftragsbücher gut gefüllt sind. Im ersten Quartal des Jahres konnte sich die Nieskyer Traditionsfirma zwei Großaufträge sichern. Die K+S AG, ein in Kassel ansässiges Bergbauunternehmen mit den Schwerpunkten Kali- und Salzförderung, bestellte 160 Schüttgutwaggons, ein namentlich nicht bekannter Logistiker weitere 149 Autotransportwaggons. Das Auftragsvolumen lag jeweils im zweistelligen Millionenbereich. Darüber hinaus sicherte sich der Waggonbau kleinere Aufträge über insgesamt elf Millionen Euro.

Keimzelle des WBN Waggonbau Niesky ist eine Kupferschmiede aus dem Jahre 1835. Später verlagerte sich der Produktionsschwerpunkt zunächst auf die Herstellung von Maschinen, dann auf den Waggonbau. 2008 übernahm die Deutsche Bahn das Unternehmen. Sechs Jahre später ging es an einen Münchner Finanzinvestor. Nach beachtlichen Wachstumsquoten, musste Ende 2017 wegen fehlender Liquidität jedoch Insolvenz beantragt werden. Derzeit beschäftigt der Waggonbau Niesky rund 300 Mitarbeiter. Von den aktuellen Verhandlungen erfuhren sie aus der Presse. Die Stimmung sei zwar angespannt und die Enttäuschung über die mangelnde Transparenz groß. Dennoch überwiege die Hoffnung, dass die fällige Entscheidung die richtige sei, so einzelne Mitarbeiter auf Nachfrage am Werkstor.

Branchen-Insider spekulieren indes, wie die Fahnenkombination vor dem Werkstor zu bewerten und ob daraus eine Vorentscheidung abzuleiten sei. Im Sinne eines Fortbestands des Waggonbaus sei der chinesische Staatskonzern CRRC mit Sitz in der Metropole Jinan die beste Wahl. Im Gegensatz zu den Interessenten aus Tschechien und der Slowakei verfügen die Chinesen über eine weitaus größere Finanzkraft, hieß es. Ob eventuell noch weitere Bieter im Rennen sind, wollte Insolvenzverwalter Jürgen Wallner unter Hinweis auf die vertraglich vereinbarte Verschwiegenheitspflicht nicht sagen. Er halte aber an seinem Plan fest, den Verkauf des Waggonbaus in zwei bis vier Wochen abgeschlossen zu haben, ließ er wissen.