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Ein Zentrum für Sachsens Stasi-Akten

Leipzig rüstet sich, zentraler Ort für die Geheimdienstpapiere und für Freiheit und Bürgerrechte zu werden. Doch die Idee hat Widersacher.

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© Bernd Wüstneck/dpa

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Werden Sachsens Stasi-Akten künftig zentral in Leipzig gelagert? Bekommt die Stadt doch noch ein Einheits- und Freiheitsdenkmal? Und was wird aus der früheren Stasi-Zentrale in der „Runden Ecke“? Drei ewige Debatten, die weit über Leipzig hinausgehen, könnten jetzt am Matthäikirchhof in der Innenstadt gelöst werden. Auf dem Areal, wo die Spitzel-Zentrale aus den 80er-Jahren in den Himmel ragt, könnten die Stasi-Unterlagenbehörde, das Freiheitsdenkmal sowie Archive und Museen eine neue Heimat bekommen. Der Stadtrat hat jetzt mit großer Mehrheit grünes Licht für ein „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ gegeben. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) wird nun dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, den Matthäikirchhof für einen Archivneubau anbieten. Aber nicht alle sind begeistert.

Der Bundestag hatte im Juni 2016 die Weichen für die Stasi-Akten neu gestellt: Demnach soll in dieser Wahlperiode der Übergang des Stasiarchivs in das allgemeine Bundesarchiv vorbereitet werden. Geplant ist dabei, die Lagerung der Akten nur noch an einem Standort pro Bundesland zu konzentrieren. Der Grund: Keines der zwölf Archive im Osten, in denen 61 Kilometer Akten lagern, erfülle alle Kriterien für eine archivgerechte Lagerung, so Jahn.

Als zentraler Standort in Sachsen ist Leipzig der Favorit. Würde Berlin zugunsten der Stadt entscheiden, würden die reinen Archive in Dresden und Chemnitz früher oder später geschlossen. Anträge zur Akteneinsicht, Beratung und Service sollen aber weiter an allen jetzigen Außenstellen möglich sein, egal, wo die Akten künftig lagern. Jahn hatte von Beginn an klare Sympathien erkennen lassen: „Wenn Leipzig ein Angebot macht, ein Forum für Freiheit und Bürgerrechte zu schaffen, wäre das eine große Chance für uns alle“, sagte er der Leipziger Volkszeitung.

Doch noch ein Denkmal für Leipzig?

Auch Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) unterstützt das Projekt. „Für mich steht außer Frage, dass der Standort für ein neues Akten-Archiv die Stadt der Friedlichen Revolution sein sollte“, ließ sich der Minister zitieren. Kritik kommt indes vom Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Lutz Rathenow. Eine Zentralisierung in Leipzig werde dazu führen, dass die Standorte in Dresden und Chemnitz „nur noch als verkümmerte Placebo-Außenstellen weiter existieren, bis sie nicht mehr existieren.“ Es gelte die Forderung der Regierungskoalition für den gleichberechtigten Erhalt aller drei Außenstellen.

Käme das moderne landesweite Archiv nach Leipzig, würde es etwa ein Drittel des Matthäikirchhofs beanspruchen. Zu DDR-Zeiten erhielten dort die Stasi-Bezirksverwaltung und die Bezirksbehörde der Volkspolizei große Neubauten. Die Gebäude, darunter die „Runde Ecke“, werden derzeit von der Unterlagenbehörde, dem Bürgerkomitee und dem Schulmuseum genutzt, die Neubaublöcke stehen größtenteils leer.

Der Matthäi-Hof ist das letzte große Filetgrundstück in der Stadt, das noch nicht entwickelt wurde. Ein Teil davon ist Bundeseigentum, ein Teil gehört der Stadt. Im Frühjahr hat bereits ein Kreis aus Bürgerkomitee, Archiv Bürgerbewegung, Stasi-Unterlagenbehörde, Schulmuseum und Stiftung „Friedliche Revolution“ ein Konzept für einen Erinnerungs-, Forschungs- und Bildungsort auf dem Areal vorgelegt. Arbeitstitel: Campus für Demokratie. Kernpunkte sollen die Original-Gedenkstätten, die Archive und Ausstellungen sein. Umstritten ist aber, ob die DDR-Plattenbauten erhalten oder abgerissen werden. Immerhin finden sich dort authentische Zeugnisse wie das Originalbüro von Stasigeneral Manfred Hummitzsch.

Oberbürgermeister Jung hat seinen Wunsch nach einem zentralen Gedenkort bereits erkennen lassen, er spricht von einem Teilabriss. Schließlich gilt der Platz als symbolischer Ort des Sieges der Bürgerrechtsbewegung über die SED-Diktatur. Kritiker fürchten indes eine „Fehl-Prägung“ des Quartiers. Der Stadtrat will nun per internationalem Architektenwettbewerb Vorschläge für einen nationalen Geschichts-Ort finden.

Neben Berlin sollte auch Leipzig ein Einheits- und Freiheitsdenkmal bekommen, so hat es der Bundestag beschlossen. Doch die Planungen wurden nach festgefahrenen Debatten abgebrochen. Nun könnte auf dem Matthäikirchhof ein neuer Anlauf unternommen werden. Die Stiftung „Friedliche Revolution“ soll einen Vorschlag erarbeiten, wie das Denkmal mit breiter Bürgerbeteiligung noch verwirklicht werden kann. Es auf dem Stasiareal zu errichten, so wird betont, sei aber nur eine von vielen Möglichkeiten.