Von Franziska Springer
In „Renchen‘s Imbiss“ von Doreen Sanftleben und Karsten Wollny am Rosa-Luxemburg-Platz in Torgau ist an diesem Sonntagmittag alles wie immer und doch ganz anders: Ein brauner Sichtschutzzaun schafft etwa zwölf Quadratmeter gepflasterte Gemütlichkeit vor dem Ausgabefenster, das Bier ist billig und das Angebot genau so, wie es die Menschen hier mögen: „Die Torgauer sind einfache Menschen“, gibt Betreiber Wollny schmunzelnd zu.
Impressionen vom "Tag der Sachsen"
Seit über einem Jahr führt er gemeinsam mit seiner Frau dieses Torgauer Original. Aber so einen Rummel wie an diesem Wochenende, den hat er hier noch nicht erlebt. Hinter einem roten Absperrzaun reihen sich die Fahrgeschäfte aneinander, Menschen schieben sich durch enge Gassen und das Stromaggregat summt so laut, dass eine Verständigung kaum möglich ist. Wer Torgau kennenlernen will, da ist Karsten Wollny sich sicher, wird es schwer haben, ausgerechnet beim Tag der Sachsen danach zu suchen: „Was hier stattfindet, ist ein Volksfest, wie jede sächsische Stadt es ab und an austragen darf“, sagt er.
Wer es doch versuchen will, findet sich nach kurzem Gang durch die Stadt unversehens auf Schloss Hartenfels wieder. Die beiden berühmten Braunbären, die hier im Schlossgraben leben und sich an diesem frühen Sonntag noch müde in der Sonne aalen, scheinen nichts zu bemerken von all dem Trubel um sie herum. Ganz anders sieht das drinnen im Schlosshof aus. Hier, vor dem beeindruckenden Wendelstein vermittelt Martin Luther nebst Ehefrau Katharina von Bora einen ersten Eindruck vom Wesen einer Stadt, die sich maßgeblich durch Renaissance und Reformation definiert – aber einen gestrigen. Ganz anders ist das Bild Torgaus, wie es sich auf den großen Bühnen und beim beeindruckenden Festumzug präsentiert.
Hier, wo allenthalben Rock‘n‘Roll getanzt wird, wo Musikschulen ihr Können präsentieren und Sportvereine ihr vielfältiges Angebot bewerben, bekommt Torgau plötzlich ein lebendiges Gesicht. Besonders freundlich wird dieses, wenn man sich auf der Vereinsmeile nicht von seltsam fehlplatzierten Pay-TV- oder Mobilfunkanbietern abschrecken lässt.
Dann nämlich landet man bei Christina Holzmüller und den anderen Klöppeldamen vom Mehderitzscher Heimatverein. Für sie hat sich der Besuch beim Tag der Sachsen jetzt schon gelohnt, berichtet sie strahlend: „Viele Frauen haben sich für unsere Arbeit interessiert und wollen mitmachen. Wenn alles gut geht, können wir sogar bald einen Kurs an der Volkshochschule anbieten.“ Schnell vergessen ist da der Ärger im Vorfeld, als plötzlich eine Standgebühr erhoben wurde, die in keinem Schreiben angekündigt war.
Vergessen scheint auch der Ärger all jener Torgauer, denen die Straßensperrungen viel zu weit gingen und die sich – genau wie Karsten Wollny – vom Tag der Sachsen nicht viel mehr versprachen, als drei Tage lang Kulisse für andere zu sein.
Als das Fest am frühen Abend mit der Staffelstabübergabe an Riesa zu Ende geht, blickt man nur noch in zufriedene Gesichter. 285 000 Besucher – so die positive Bilanz – haben Sachsens größtes Vereins- und Volksfest an diesem Wochenende besucht. Ab Montag zieht die Normalität wieder in Torgau ein und in „Renchen‘s Imbiss“ wird der Tag der Sachsen mit all seinem Trubel noch länger für Gespräche sorgen.