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Dr. Quendt backt Säggsisch Brod 2.0

Der Dresdner Stollenspezialist befördert mit 100 000 Spezialtüten erneut „Sachsens Wort des Jahres“ – und sein Geschäft.

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© ronaldbonss.com

Von Michael Rothe

Ilse Bähnert hat zur Verkostung von Dr. Quendts „Säggsisch Brod“ extra ihre Zähne eingesteckt, wie sie sagt. Dabei sind sie für die Spezialversion von „Russisch Brot“ nicht nötig, handelt es sich doch um Schaumgebäck zum Diddschn. Mit dem Besuch revanchiert sich die rüstige Seniorin, unter deren Perücke der Schauspieler und Kabarettist Tom Pauls steckt, für Quendts Unterstützung der Ilse-Bähnert-Stiftung, die sich der Erhaltung und Pflege sächsischer Kultur und Sprache verschrieben hat.

Zum Tag der Einheit am 3. Oktober, da zum elften Mal „Sachsens Wort des Jahres“ gekürt wird, sollen die leicht über die Zunge gehenden Teile bei Konsum, Edeka, in Tankstellen und SZ-Treffpunkten im Regal stehen. „Nachdem uns die Tüten 2017 bei der Premiere aus den Händen gerissen wurden, haben wir die Auflage 2.0 auf 100 000 Beutel verdoppelt“, sagt Marketingchefin Claudia Heller. Sie spricht dennoch von einer „Limiddid Eddischn“. Da schmunzelt selbst die Bähnert, doch sie weiß um die Win-win-Situation bei dem Marketing-Gag.

Im Gegensatz zum deutschen Alphabet mit 26 Buchstaben hat das sächsische 18 Zeichen. In der Tüte sind nur weiche „Gonsonandn“. Auch das Z fehlt – das buchstabiert der Sachse als Kombination von D und S. Das Schaumgebäck stammt vermutlich aus St. Petersburg. Dort hatte es der Dresdner Bäcker Ferdinand Hanke entdeckt, das Rezept jener „Bukwy“ (Russisch für Buchstaben) 1844 mit nach Sachsen gebracht und dann Deutschlands erstes „Russisch Brot“ gebacken – statt der kyrillischen mit lateinischen Buchstaben. Die süßen Zeichen wurden Jahrzehnte per Hand gefertigt, dann industriell auch von der Waffelfabrik Berbö, 1972 verstaatlicht zum VEB Rubro, die Abkürzung war Programm. Letztlich war es Hartmut Quendt, der die Herstellung Ende der 80er-Jahre mit einer Spezialanlage auf ein neues Level hob.

Bei Dr. Quendt kennt man sich aus mit fragilen Dingen wie Schaumgebäck. 2014 stand das Unternehmen, das Hartmut Quendt 1991 aus einem Ex-Kombinatsbetrieb heraus gegründet hatte, wegen einer millionenschweren Finanzierungslücke vor dem Zusammenbruch. Ein strategischer Investor musste her: Hermann Bühlbecker. Dessen Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Henry Lambertz zählt mit Aachener Printen, Nürnberger Lebkuchen zu den deutschen Top 3 der Branche und ist Weltmarktführer für Herbst- und Weihnachtsgebäck. Er half Dr. Quendt aus der Krise. Das Unternehmen ist mit 2,2 Millionen Stück führender Hersteller von Dresdner Christstollen und macht damit etwa die Hälfte seines Geschäfts – vor allem mit Supermärkten. Die Firma ist ferner bekannt durch Dinkelchen, Dominosteine, Bemmchen – und eben Russisch Brot.

Nachdem Matthias Quendt, Sohn des 2016 verstorbenen Gründers, seine Anteile unlängst versilbert hat, gehört das einstige Familienunternehmen ganz zu Lambertz’ Imperium. „Wir sind auf gutem Weg“, sagt Robert Schiehandl, seit 2016 Werkleiter. Die Krise sei überstanden. „2018 schaffen wir fast 27 Millionen Euro Umsatz und das zweite Jahr infolge einen Gewinn“, so der 48-Jährige, dessen Familie zuerst Bayerisch spricht. Auch in der Belegschaft herrscht Sprachgewirr, „aber sie versteht sich“, sagt der Chef. Unter den 100 festen und 120 Saisonkräften sind mehr als 70 Polen und über 20 Flüchtlinge aus Syrien und Afrika.

Ilse Bähnert ist gebannt vom Backprozess und dem in der Luft liegenden Duft. In Gedanken legt sie schon Sachsen schönstes und das vom Aussterben bedrohte „Wort des Jahres“ zusammen. Doch sie beißt sich auf die Zuge und verrät nur so viel: Für das eine Wort braucht es acht und für das andere sieben Kekse. Am Ende hat sie für Käufer einen wichtigen Tipp: Sollte sich doch mal ein harter Konsonant in die Tüte verirrt haben, „kann man sich den weichdiddschn“.