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Die Schwestern von St. Marienthal starten die letzte Etappe

Im August 2010 wütete in Deutschlands ältestem Zisterzienserinnenkloster das Neiße-Hochwasser. Nun ist der Wiederaufbau fast abgeschlossen.

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© Sebastian Kahnert/dpa

Von Miriam Schönbach

Fast zaghaft plätschert die Neiße hinter dem Kloster St. Marienthal an diesem Morgen in Ostritz. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Nachbarland Polen. Königin Kunigunde von Böhmen suchte 1234 diesen idyllischen Platz für die Nonnen des Zisterzienserordens aus. Über die Jahrhunderte verteidigen die Schwestern ihr Refugium gegen die Hussiten, die Reformation und die SS. Hitlers Helfer wollen den frommen Ort 1945 noch sprengen. Die letzte Prüfung der Schwestern aber liegt erst acht Jahre zurück.

Im Kloster St. Marienthal wurde nach der Flut auch die Kreuzkapelle restauriert.
Im Kloster St. Marienthal wurde nach der Flut auch die Kreuzkapelle restauriert. © Sebastian Kahnert/dpa

Äbtissin Elisabeth Vaterodt steht mitten in der Kreuzkapelle im Denkmal-Areal. Ihr Blick wendet sich im Rokoko-Bau nach oben in die Kuppel zu einem wunderbaren Fresko von Franz Xaver Karl Palko (1724 bis 1767). Dann wandert ihr Blick langsam die Wände herunter. Auf gut zwei Meter Höhe vom Boden verläuft im Kirchenbau ein fast unsichtbarer Strich. „Bis dahin reichte das Wasser im August 2010. Mit dem Abschluss der Bauarbeiten in der Kapelle begeben wir uns auf die letzte Etappe bei der Beseitigung dieser Flutschäden“, sagt die Vorsteherin.

Viel Schlamm und viel Hilfe

Nur zu gut erinnert sich die Schwester an die Nacht vom 7. auf den 8. August 2010. Es regnet in diesen Tagen ununterbrochen. Die plätschernde Neiße verwandelt sich in einen reißenden Fluss. Bis zwei Uhr in der Nacht steigt das Wasser höher und höher. „Evakuieren haben wir uns nicht lassen. Wir wussten, dass wir in den oberen Räumen gut aufgehoben sind“, sagt die Äbtissin. Ohne Strom harren die Schwestern auf dem abgeschnittenen Areal aus. Erst am Abend können sie die Gebäude verlassen. Weite Teile ihres Klosters liegen da unter einer Schlammlawine begraben.

Schon wenige Tage später beginnt die Schadensaufnahme. „Anfangs dachten wir, in fünf Jahren haben wir den Wiederaufbau geschafft“, sagt Vaterodt rückblickend. „Aber“, fügt sie ein, „nach dem Hochwasser 1897 haben die Schwestern 30 Jahre gebraucht, um alles wiederherzustellen. Sie haben damals höchstwahrscheinlich vieles selbst gemacht. Wir bekamen Hilfe von allen Seiten“. Herausforderungen gab es im sonst eher spirituellen Klosterbetrieb trotzdem genügend zu meistern.

Bei der Sanierung der Kreuzkapelle aus dem Jahr 1755 ging es nach den Worten des Bauingenieurs Werner Vaterodt um eine „nachhaltige Instandsetzung und Modernisierung, um die denkmalgeschützte Bausubstanz auch vor erneuten Hochwassern zu schützen“. Zuerst musste das Gebäude getrocknet werden. Anschließend wurden der weiße und farbige Stuckmarmor, die Altargemälde und die vier Alabaster-Stuck-Figuren restauriert. Um Bauschäden durch Nässe in Zukunft vorzubeugen, wurden Wandtemperierungen eingebaut. Eine Abschottung zwischen Kapelle und Gruft wurde aus klimatechnischen Gründen installiert.

Die Ruhestätte der Opernsängerin Henriette Sonntag (1806 bis 1854) bleibt so zukünftig für immer verschlossen. Über jene Künstlerin berichteten übrigens seinerzeit die Zeitungen landauf, landab. Berühmte Künstler wie Carl Maria von Weber, Ludwig van Beethoven, Hoffmann von Fallersleben und Johann Wolfgang Goethe waren von ihr begeistert. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erkrankte sie während einer Gastspielreise in Mexiko an Cholera und starb. Ihr letzter Wunsch war, nach Marienthal, wo ihre Schwester Juliana als Nonne lebte, überführt zu werden.

Solche Geschichten können jetzt Besucher des Klosters wieder hören, wenn sie einen Abstecher in die Kreuzkapelle machen. Eine erste Möglichkeit bietet das Kapellen-Fest am 2. und 3. Juni, bei dem auch die Kapelle wieder feierlich geweiht wird. Insgesamt sind in ihre Sanierung 340 000 Euro geflossen – Förderungen durch den Bund, den Freistaat, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Spenden und auch Eigenmittel. Über 50 Baufirmen haben sich nach Angaben von Vaterodt an der Wiederherstellung von Deutschlands ältestem Zisterzienserinnenkloster beteiligt. Auf der allerletzten Etappe müssen nun noch die Hochwasserschäden in Propstei, Gesindestube und Orangerie beseitigt werden.

Mit diesem geplanten Zieleinlauf sind dann nach dem Augusthochwasser 2010 insgesamt rund 15 Millionen Euro in Sanierung und Restaurierung der zum Kloster gehörigen Gebäude und der Ausstattung geflossen. Im Blick hat die Äbtissin noch einen verbesserten Hochwasserschutz für das Areal. 1,3 Millionen Euro würde eine solche Maßnahme kosten. „Wir Schwestern sind immer darauf angewiesen, dass es Menschen gibt, die gern spenden.“