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„Die Leute hier sind so freundlich“

Zwei Holländer widerlegen die These der unzufriedenen Sachsen. Sie erleben in der Oberlausitz etwas anderes.

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© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Bertsdorf. Dorine und Jan van Gils kommen ins Schwärmen, wenn sie erzählen, wie sie Oberlausitzer geworden sind. „Hier ist es wunderschön und die Leute sind so freundlich“, sagen die beiden Holländer. Als Dorine van Gils am 6. Februar die SZ las, musste sie unbedingt in der Zittauer Lokalredaktion anrufen. Die 52-Jährige kann überhaupt nicht nachvollziehen, was da auf Seite 23 stand. Eine Psychologin erklärt in dem Text, warum die Sachsen so unzufrieden sind. „Wir finden nicht, dass die Sachsen unzufrieden sind. Wir haben jedenfalls andere Erfahrungen gemacht“, schildern die beiden Neu-Bertsdorfer.

Und sie beginnen zu erzählen, wie sie von Alkmaar in Holland nach Bertsdorf-Hörnitz in die Oberlausitz gekommen sind. Die beiden bieten sofort das „Du“ an. Das macht man in Holland so. „Wir haben 2007 in einem Magazin einen Artikel gelesen, wie ein Holländer in Taubenheim ein Haus gekauft hat, weil er die Gegend so toll findet“, sagt Jan van Gils. Die Holländer wollen zu dem Zeitpunkt eigentlich in Frankreich Kurzurlaub machen, um sich ein Ferienhaus zu kaufen. Spontan entscheiden sie sich damals für einen Trip in die Oberlausitz und buchen über Himmelfahrt eine Ferienwohnung in Bertsdorf.

Doch als sie hier ankommen, waren die Besitzer nicht da und selber verreist. Sie sprechen mit Familie Seidelmann in der Nachbarschaft. „Obwohl sie uns nicht kannten, haben sie uns auf ein Bier eingeladen und gleichzeitig irgendwie den Schlüssel für die Ferienwohnung besorgt“, schildert Jan van Gils. Seidelmanns erfahren, dass sie auf der Suche nach einem Ferienhaus sind. Frau Seidelmann erzählt ihnen am nächsten Morgen, dass sie die ganze Nacht nicht schlafen konnte, und in Gedanken durch den Ort gegangen ist, wo überall in Bertsdorf Häuser leer stehen. Und sie zeigt ihnen in der Nachbarschaft das Gehöft in der Hinteren Dorfstraße 13.

Am Montag, als sie heimfahren wollen, schauen sie sich das Haus an. Als sie hinter dem Haus die Aussicht auf den Ort und den Breiteberg sehen, sind sie überwältigt. Eigentlich wollte Dorine van Gils am nächsten Tag in Holland wieder arbeiten gehen. Sie ist Psychosomatik-Therapeutin – kümmert sich sozusagen darum, dass Kopf und Körper ihrer Patienten eins sind. Aber van Gils verschieben die Abreise um einen Tag. „Wir haben am Montag um 11 Uhr das Haus gesehen und es am nächsten Tag um 17 Uhr gekauft“, erzählt Jan van Gils. Mit dem Makler und den drei Erben sind sie sich schnell einig geworden. „Wir haben uns gesagt, warum sollen wir uns in Frankreich, Italien oder Spanien eine Ferienwohnung suchen, wenn wir die Sprache gar nicht sprechen“, sagt er. Und deutsch verstehen und sprechen sie ein wenig.

Seit 2007 haben van Gils dann bis 2016 Arbeits-Urlaube in Bertsdorf gemacht. „Die Leute haben uns hier so nett aufgenommen. Besser geht es gar nicht“, schwärmen die beiden. „Wir kommen hier an, da haben die Nachbarn die Wiese gemäht. Das Grundstück ist immerhin 7 000 Quadratmeter groß“, sagt er. Sie wollten es in der Zwischenzeit nicht verwuchern lassen. „Die Leute sind Rentner und wollten kein Geld dafür haben“, betont er. Von so einer Gastfreundlichkeit sind sie überwältigt.

Van Gils könnten zig solcher Beispiele erzählen. Mal bringt eine Nachbarin einen halben Kuchen für sie rum, ein anderes Mal wird nur miteinander nett geredet oder ein Bier getrunken. Dorine van Gils glaubt deshalb nicht, dass die Sachsen unzufriedener sind, als anderswo in Deutschland. Sie lobt das Miteinander und das gegenseitige Helfen. „Als wir unser erstes Weihnachten hier verbringen wollten, stand, als wir ankamen, in der Blockstube ein schön mit Kugeln und Keksen geschmückter Weihnachtsbaum. „Ich war so gerührt. Das war mein schönstes Weihnachten“, sagt Dorine van Gils.

Viel Handarbeit

Als der IT-Manager Jan van Gils 2016 in Rente geht, ziehen sie schließlich ganz nach Bertsdorf. Längst ist aus der Anfangs-Idee von einer Ferienwohnung für sie ein viel größeres Projekt geworden. Sie wollen das Haus sanieren, hier leben und Ferienwohnungen einbauen. Als Jan van Gils Verkleidungen und Putz von den Decken und wänden abreißt, sieht er erst, dass er ein Umgebindehaus gekauft hat. Die Eheleute freuen sich darüber.

Sie lieben alte Handwerkskunst und scheuen sich nicht davor, die freigelegten Holzbalken mühsam von Farb- und Putzresten zu befreien. Und sie haben auch schon die ehemaligen Ställe in zwei schöne Ferienwohnungen verwandelt. Jetzt kommen hier die Sandsteine und die vom Putz befreiten Gewölbe-Ziegeldecken richtig zur Geltung. Momentan bauen sie gerade die ehemalige Scheune wieder auf. Sie zu sanieren, ging nicht. Also wurde sie abgerissen und wird nun wieder aufgebaut. Auch hier sollen später einmal Ferienwohnungen eingerichtet werden. Die beiden zählen all die Gewerke auf, die auf ihrem Grundstück in den elf Jahren seit dem Kauf schon gearbeitet haben. Sie finden es toll, wie die Handwerker und Firmen hier sind. „Hier sieht ein Tischler noch wie ein Tischler aus, der Schornsteinfeger wie ein Schornsteinfeger. Die Leute sind stolz auf ihr Handwerk und zeigen das“, sagt Dorine van Gils. In Holland sei das anders. Da haben alle das Gleiche an und wollen am liebsten alles wegreißen und was neues Modernes aufbauen. Hier wird versucht, das alte Historische zu erhalten. Das finden sie toll.

Sie haben sich gut eingelebt in Bertsdorf. Jan van Gils spielt bei den alten Herren im Ort Fußball. Und Silvester wird mit der Nachbarschaft nachmittags gefeiert. „Da gibt es ein Oliebollen-Fest. Das ist ein bisschen wie Pfannkuchen. „Da kommen 30 bis 40 Leute aus der Straße zu ihnen.

Seit dieser Woche bieten sie drei Ferienwohnungen in ihrem Haus in Bertsdorf an. Ihren Hof haben sie Hossies genannt. Weil sie sich wie Ossies fühlen und das H steht für Holland. Eine der Ferienwohnungen trägt übrigens den Namen Elke, weil sie ohne Elke Seidelmann nicht hier wären.

www-hossieshof.de