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Die Bahn fährt – künftig vorbei

Züge sollen ab 2019 nur noch im Zwei-Stunden-Takt in Kubschütz halten. Dann haben Pendler wie Chris Engemann ein Problem.

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Kubschütz. Obwohl es nieselt, verlässt Chris Engemann beizeiten den Unterstand am Kubschützer Bahn-Haltpunkt, läuft ein Stück in Fahrtrichtung und stellt sich dann nah an die Bahnsteigkante. „Damit mich der Zugführer rechtzeitig sieht, denn hier ist Bedarfshalt“, sagt er. Der 31-Jährige kennt sich aus. Jeden Tag fährt er mit dem Zug von Kubschütz nach Görlitz, wo er als Lehrer am Beruflichen Schulzentrum arbeitet. Heute beginnt sein Unterricht erst am späteren Vormittag, deshalb nimmt er den Zug um 8.42 Uhr. „Wenn ich früher fahre, steigen noch ein, zwei Leute mehr mit ein“, erzählt er. Ein Lehrerkollege sei oft mit dabei, und ein Kubschützer, der im Görlitzer Klinikum arbeitet. „Er ist früher mit dem Auto gefahren, aber dann auf den Zug umgestiegen, weil das günstiger ist.“

Doch damit ist es ab Dezember 2019 möglicherweise vorbei – wenn der Verkehrsverbund die Pläne tatsächlich umsetzt, die derzeit in der Diskussion sind. Damit die Verbindung auf der Strecke Dresden – Görlitz insgesamt schneller wird, sollen etliche Halte an den kleinen Stationen wegfallen. Als diese Absicht im ersten Entwurf des Nahverkehrsplans bekannt wurde, hagelte es Protest aus den betroffenen Gemeinden. Daraufhin wurden im neuen Entwurf wieder mehr Halte vorgesehen, zum Beispiel in Pommritz und Seitschen, nicht aber in Kubschütz. Dort würde der Zug künftig sowohl in Richtung Dresden als auch in Richtung Görlitz demnach nur noch aller zwei Stunden halten.

Chris Engemann müsste dann fast eine Stunde früher aufstehen und bereits 5.15 Uhr in den Zug steigen. „Ich wäre dann allerdings schon um sechs an der Schule, der Unterricht beginnt aber erst um sieben.“ Doch der nächste Zug würde in Kubschütz eben erst kurz nach Sieben halten. Engemann könnte mit dem Auto nach Bautzen fahren und dort in einen Regionalexpress steigen. „Aber in Bautzen muss man erst mal einen Parkplatz finden.“ Auch der Heimweg würde sich ungünstiger gestalten. „Wenn ich zum Beispiel 12.30 Uhr Schluss habe, könnte ich erst den Zug um 14.25 Uhr nehmen“, nennt Chris Engemann ein Beispiel. Zwar fahren in Görlitz auch früher Züge ab, aber die würden dann nicht mehr in Kubschütz halten. Mit denen könnte er bis Bautzen fahren und dann mit dem Bus zurück nach Kubschütz. „Aber das ist doch umständlich.“

Doch weil zwischen Kubschütz und Bautzen stündlich Busse fahren, hält der Verkehrsverbund Zvon an den ausgedünnten Zughalten für Kubschütz fest. „In Seitschen und Pommritz hingegen ist die Bus-anbindung deutlich schlechter“, begründet Zvon-Sprecherin Sandra Trebesius, warum für diese Stationen im überarbeiteten Entwurf für den Nahverkehrsplan doch wieder zusätzliche Halte vorgesehen wurden. Außerdem sei dort das Fahrgastaufkommen viel höher als in Kubschütz.

Doch Chris Engemann bezweifelt den Nutzen der vorgeschlagenen Reduzierung der Zughalte. Er hat mal die jetzige Fahrzeit mit der geplanten verglichen. Zwischen Görlitz und Bischofswerda würde der Zug neun Minuten einsparen. Bis Dresden-Neustadt wären es 14 Minuten. „Das steht doch in keinem Verhältnis“, meint er mit Blick auf die Tatsache, dass dann neun Halte entlang der Strecke wegfallen und Fahrgäste wie er buchstäblich stehengelassen würden. Doch Sandra Trebesius verweist auf weitere Verbesserungen, die im Busverkehr geplant seien. So gebe es unter dem Titel Plusbus Überlegungen für ein Schnellbusnetz, um wichtige Orte miteinander zu verbinden und bessere Anschlüsse an die Bahn zu erreichen.

Statt mit dem Bus bis Bautzen und von dort mit dem Zug zu fahren, wie sich die Macher der Verkehrsplanung das vorstellen, würde Chris Engemann wohl eher aufs Auto umsteigen. Obwohl er eigentlich der Bahn den Vorzug gibt. „Das ist doch viel entspannter, da kann ich Arbeiten korrigieren oder ein bisschen abschalten.“ Auf Dauer möchte er jedenfalls nicht bis Görlitz mit dem Auto fahren, „wahrscheinlich würde ich dann versuchen, an eine Schule in der Nähe zu wechseln“.

Mit seinem Wunsch nach Erhalt der guten Anbindung ist Engemann nicht allein. Auch die Gemeinde Kubschütz macht sich dafür stark. „Wir werden auch gegen den neuen Entwurf des Nahverkehrsplans in Widerspruch gehen“, sagt Bürgermeister Olaf Reichert (parteilos). Und sein Hochkircher Amtskollege Norbert Wolf (CDU) kritisiert: „Da sollen die Leute ihr Auto stehenlassen und einsparen und dann halten die Züge nicht.“ Die Pläne würden auch der Stärkung des ländlichen Raums zuwiderlaufen, wovon zurzeit so viel die Rede ist.

Dass es gerade jetzt Überlegungen gibt, die kleineren Orte nicht mehr so gut wie bisher ans Bahnnetz anzubinden, findet Olaf Reichert speziell für Kubschütz besonders makaber. Jahrelang habe er sich darum bemüht, dass sich das für die Bahnstationen zuständige Unternehmen Station & Service tatsächlich um den Kubschützer Haltepunkt kümmert. Nun seien endlich Graffiti in der Unterführung beseitigt, Aufgang und Geländer gestrichen und die Beleuchtung repariert worden. Und die Gemeinde hat im Frühjahr vier Stellplätze für Autos angelegt und Fahrradbügel montiert. Aber wer wird sie künftig noch nutzen?